Rezension

Ein ungewöhnliches Ermittlerteam, 1944 in Berlin

Germania - Harald Gilbers

Germania
von Harald Gilbers

Bewertet mit 5 Sternen

Berlin 1944. Die Endzeit des Nationalsozialismus bricht an, der Jude Oppenheimer und seine Frau versuchen so gut es geht den Kopf einzuziehen und die Naziherrschaft zu überstehen. Zumindest kann sich Oppenheimer als Mann einer Arierin in ein bescheidenes Leben in ein Judenhaus für’s Erste vor den Nazischergen retten.

Bis eines Tages die SS vor der Tür steht. Es ist aber nicht der Abtransport ins gefürchtete KZ, der Oppenheimer bevorsteht, sondern der ehemalige Kriminalkommissar wird für die Ermittlungen in einem Mordfall zu Rate gezogen.

Ich habe noch nie einen Kriminalroman gelesen, der während der Naziherrschaft spielt und die ungewöhnliche Konstellation - der jüdische Kommissar, der gemeinsam mit einem SS-Offizier nach einem Serienmörder fahndet - hat mich sofort für sich eingenommen.

Kommissar Oppenheimer ist ein gut ausgearbeiteter Charakter und würde man mir erzählen, er hätte tatsächlich gelebt, könnte ich es auf der Stelle glauben! Als vielschichtige Figur ist er mit Schwächen und Stärken ausgestattet und hat sofort meine Sympathie gewonnen.

Vogler - Oppenheimers Partner und gefürchteter SS-Hauptsturmführer - wird ebenfalls in Grautönen, wenn auch viel zurückhaltender, abgebildet und es bleibt ein glaubhafter Eindruck von ihm.

Der kriminalistische Rahmen ist solide, gut durchdacht, aber für Genrekenner bestimmt nicht allzu aufregend. Schon hier zeigt sich aber die Recherchefertigkeit des Autors, weil er der Zeit von 1944 niemals voraus war und die Ermittlungen ausschließlich auf damaliges Wissen aufgebaut hat.

Mich haben aber die historischen Hintergründe in ihren Bann gezogen. Realistisch schildert Gilbers das Leben in Berlin, die täglichen Fliegerbomben, Nächte im Luftschutzbunker und die Stadt selbst, die langsam im eigenen Schutt am Versinken ist.

Besonders ist, was der Autor aus historischen Fakten gemacht hat: einen Krimi, der gut unterhalten kann, eingebettet in ungewöhnlich lebendig geschildertes Zeitgeschehen, dass einen in die Trümmerstadt von 1944 versetzt und die damalige Lebenswirklichkeit erahnen lässt. 

© NiWa