Rezension

Eine Art von Besessenheit

Die Tochter des Malers - Gloria Goldreich

Die Tochter des Malers
von Gloria Goldreich

Ida Chagall, 19jährig als der Roman beginnt, kommt als fünfjähriges Kind mit ihren Eltern Bella und Marc Chagall aus Russland nach Paris. Die Liebe und Sehnsucht zur Heimat und gleichzeitig die Sehnsucht nach derselben hat Chagall stets begleitet, auch wenn das Leben für die jüdische Familie zuletzt wohl schwierig war.
Ida wuchs als ein überbehütetes Kind auf und entwickelte eine starke Bindung zum Vater, nicht zuletzt wahrscheinlich, weil sie ihm oft Modell stand und damit auch schon früh in der Erwachsenenwelt vereinnahmt wurde.
Ida verliebt sich im sommerlichen Ferienlager in den Jurastudenten Michel, wird ungewollt schwanger und entschließt sich zu einer Abtreibung. Doch auf einer Heirat der beiden besteht Marc Chagall trotzdem, obwohl er und auch seine Frau Bella diese Verbindung als nicht standesgemäß ansehen. Die Hochzeit wird pompös gefeiert, doch nur ein paar Jahre weiter scheint sie bereits der Anfang vom Ende dieser Beziehung gewesen zu sein.
Ida kümmert sich mit Liebe und Hingabe um das Werk ihres Vaters und erarbeitet sich als geschickte Verhandlerin entsprechende Anerkennung in der Welt der Museen und Galerien. Ida reist viel, organisiert Ausstellungen mit den Bildern des Vaters. Sie verwaltet und mehrt das Vermögen Chagalls, weiß sich aber auch selbst auf wirtschaftlich sichere Füße zu stellen.
Ida sieht dieses Geld immer auch als eine Versicherung für die Familie, ein weiteres Mal auszuwandern und Europa unter der Bedrohung des Nationalsozialismus zu verlassen. Sie ist entsetzt, als sie feststellen muss, dass der Vater ohne ihr Wissen dieses Geld in einer Immobilie angelegt hat
Entsprechend schwierig wird es danach, die Ausreise zu organisieren und vor allem auch zu finanzieren, als sie denn unumgänglich wird. Lange Zeit und immer wieder hat Chagall die drohende Gefahr nicht ernst genommen.
Das Vater-Tochter-Verhältnis beginnt sich zu verändern. Vor allem nach dem Tod Bella Chagalls wird Ida immer mehr zu einer „Aufsichtsperson“ über das Leben des Vaters, der dies einerseits genießt, weil es ihn von all den Lästigkeiten des Alltags freihält, er andererseits aber auch immer wieder gegen Idas Vorgaben opponiert. Die Beziehung zwischen Ida und Marc entwickelt sich immer mehr zu einer beinahe nur noch geschäftlichen Beziehung, vor allem als Chagall eine zweite Ehe eingeht. Es gelingt dieser Frau, Chagalls Leben vollständig zu bestimmen und ihn in eine Abhängigkeit zu degradieren, die er nicht einmal zu bemerken scheint. Nur Ida ist entsetzt, weil sie den Vater manchmal nicht wiedererkennt und sie brachial an Einfluss verliert.
Idas erste Ehe ist zerbrochen, in zweiter Ehe mit einem renommierten Schweizer Kunstkenner findet sie auch das ersehnte private Glück. 

Das Buch hat einige Längen, die m. E. auch daraus entstehen, dass sich die Autorin schwer damit getan hat, Wichtiges und weniger Wichtiges zu unterscheiden. Manches Ereignis, manche Figur hätte man sich weniger ausschweifend gewünscht. Die fast schon an Besessenheit grenzende Hinwendung Idas an den Vater wurde aber gut vermittelt.

Trotz dieser Schwächen habe ich den Roman sehr gern gelesen und würde mich freuen, sollte sich hier im Aufbau Verlag eine Reihe entwickeln.