Rezension

Eine Explosion der Gefühle

Solange wir lügen - E. Lockhart

Solange wir lügen
von E. Lockhart

„Solange wir lügen“ ist eine Explosion der Gefühle und hält für den Leser mehr als eine große Überraschung parat! Überzeugende Charaktere treffen auf eine dramatische Story, die sich Hollywood nicht besser hätte ausdenken könnte.

Wir bekommen diese überaus emotionale Geschichte aus Sicht der Protagonistin Cadance erzählt. Der betont lockere Schreibstil, der sich der Sprache und dem Befinden reicher Teenager perfekt angepasst hat, wird immer wieder von Cadys Gedanken durchzogen, die sehr plastisch sind. Sie verwendet gerne anschauliche Bilder, um ihre Gefühle zu beschreiben, was mir persönlich sehr gut gefallen hat. Ebenso versucht sie das Geschehen zwischendurch mit ihren eigenen erfundenen Märchen zu begreifen, was die Handlung zum einen auflockert und auf der anderen Seite zum Nachdenken anregt. Ebenso arbeitet die Autorin mit Rückblenden. Es gibt den aktuellen Handlungsstrang und dann immer wieder Flashbacks und Erinnungen vor dem Unfall. So setzt sich die gesamte Geschichte bruchstückhaft zusammen, was zusätzliche Spannung erzeugt.

Was zunächst wie ein typisches Jugendbuch anfängt – die Teenager sind schön, haben Geld und ihr größtes Problem ist es eigentlich, welche Schuhe zu welchem Outfit passen und ob sich der Schwarm auch für sie interessiert -, wird bald ein packendes Abenteuer um die Wahrheit, die keiner ausspricht. Gerade Cady hat mich als Charakter voll und ganz überzeugen können. Sie hebt sich schon zu Beginn der Geschichte deutlich von ihrem Umfeld ab und macht sich Gedanken über die materielle Welt hinaus. Sie begegnet ihren Mitmenschen ohne Vorurteile und versteht die Machtspielchen in einer Seifenblase aus Geld und Ansehen viel eher als ihre gleichaltrigen Verwandten. Sie bleibt sich zu jeder Zeit selbst treu und ist trotz ihres Unfalls – oder gerade deswegen – über sich hinausgewachsen. Auf der Suche nach der Wahrheit gibt sie nicht auf, was sie stärker macht, als sie selbst ahnt.

Auch die Nebencharaktere waren perfekt ausgearbeitet, was an dieser Stelle ein großes Lob verdient. Obwohl wir uns hier in einer wirklich absolut oberflächlichen Gesellschaft wiederfinden, hat es die Autorin geschafft, jedem Charakter doch so etwas wie eine Seele einzuhauchen. Zwar grenzt sie die Welt der Erwachsenen deutlich von der der Teenager ab, aber genau darum geht es ja auch ein Stück weit. Wir bekommen dadurch gezeigt, was aus den Jugendlichen werden könnte, wenn sie in die Fußstapfen ihrer Eltern treten. Es geht um die Entwicklung der Persönlichkeit, um Rebellion, um das Aufbegehren gegen das Familiensystem.

Die Spannung war von Anfang an greifbar und hat mich bis zum Schluss nicht mehr losgelassen. Ich habe das Buch beinahe in einem Rutsch verschlungen, denn der fesselnde Schreibstil und die überaus gelungene, dramatische, lustige und doch romantische Geschichte musste einfach gelesen werden. Die Autorin hält für den Leser mehrere überraschende Wendungen parat und gerade die letzten 30 Seiten haben es noch mal richtig in sich. Ich muss zugeben, dass ich am Ende wie ein kleines Kind geflennt habe und mich schon lange keine Geschichte mehr so berührt hat wie Cadys und Gats.

Die Welt, die hier erschaffen wird, habe ich mir im Verlauf der gesamten Story als eine Kuppel vorgestellt. Es ist wohl kein Zufall, dass die Autorin das Setting auf eine abgeschiedene Insel verlagert hat, denn so verstärkt sich das Gefühl noch, dass wirklich nur die Geschichte der Familie Sinclair erzählt werden sollen. Obwohl wir nie lange Beschreibungen bekommen, hatte ich doch ein klares Bild im Kopf. Generell hat sich eine Art Film vor meinem inneren Auge abgespielt und ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass dieses Buch verfilmt werden könnte, weil es einfach alles hat, was eine gute Geschichte ausmacht: Liebe, Freundschaft, Mut, Dramatik, Humor, Emotionen und einen Hauch von Abenteuer.

Ich kann hier nur eine klare Leseempfehlung aussprechen, denn mich hat diese Geschichte auf mehreren Ebenen sehr berührt.