Rezension

Eine Frau emanzipiert sich

Wo Licht ist - Sarah Moss

Wo Licht ist
von Sarah Moss

Bewertet mit 4 Sternen

Das Buch handelt von Alfred Moberly, einem Künstler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Manchester, dessen Familiengeschichte uns durch eine Reihe von Gemälden, erstellt von ihm und seinem Freund Aubrey, erzählt wird. Es ist vor allem die Geschichte dreier Frauen unterschiedlicher Generationen mit Pioniergeist – seiner Schwiegermutter, seiner Ehefrau Elizabeth und seiner ältesten Tochter Alethea (genannt Ally). Die Großmutter ist eine tief religiöse Frau und Gründerin eines Frauenhauses. Ihren Töchtern gönnt sie keinen Komfort, weder materiell noch emotional. Elizabeth tritt in ihre Fußstapfen. Sie setzt sich ebenso entschlossen für die Rechte armer Frauen und Prostituierter ein, kasteit sich selbst und verlangt von ihren Töchtern dasselbe. Liebe und Wärme gibt sie ihnen nicht. Ihrem Wunsch entsprechend studiert Ally in London Medizin und wird 1880 eine der ersten Ärztinnen in Großbritannien, immer getrieben vom unerfüllt bleibenden Wunsch nach Anerkennung durch ihre Mutter.

Das Buch gliedert sich in zehn Kapitel, denen jeweils ein Gemälde (der Präraffaeliten Moberly bzw. Aubrey) vorangestellt ist, dessen Titel auch der Titel des sich anschließenden Kapitels ist. Das jeweilige Gemälde wird kurz beschrieben, außerdem gibt es ein paar Hintergrundinformationen. Im ersten Kapitel lernen wir Elizabeth und Alfred zur Zeit ihrer Hochzeit kennen. Das zweite Kapitel ist aus Elizabeths Perspektive und handelt von ihren großen Schwierigkeiten mit ihrer Mutterschaft. Das nächste Kapitel überspringt einige Jahre; die Dinge werden nur noch aus Sicht Allys und ihrer Schwester dargestellt. Im weiteren Verlauf verlässt Ally Manchester, um in London zu studieren, und ihre Eltern werden zu Randfiguren. Soviel zum Aufbau.

Die Romanfiguren faszinieren. Selbst die so hart erscheinende Elizabeth, die ihre Tochter drakonisch bestraft (z.B. sie mit einer Kerze verbrennt) und sowohl körperlich als auch seelisch züchtigt, hat durchaus Sympathiewerte. Immerhin setzt sie sich unbeugsam für Frauenrechte ein und fördert ihre Töchter bis hin zu einer akademischen Ausbildung in einer von Männern dominierten Gesellschaft. Ally wiederum, die keinerlei Selbstvertrauen hat, erweist sich als stak und intelligent. Und ihr Vater Alfred steht mit seinem Sinn fürs Schöne in krassem Gegensatz zu seiner Ehefrau. Er malt Elizabeth als Jungfrau oder die heranwachsende Ally als Persephone, wobei er ihren Zusammenbruch malerisch verklärt und ihr Leiden nicht sieht.

Für den geschichtlich interessierten Leser sind sicherlich interessant die Geschichte der Emanzipation, die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse und solche Einzelheiten wie das Gesetz gegen Infektionskrankheiten. Einen Kontrast dazu bilden die schon früher erwähnten wunderschönen Beschreibungen der Malereien von Aubrey und Alfred sowie dessen Ideen als Ausstatter.

Zu meinem Bedauern bleiben am Ende unbeantwortete Fragen: Was lässt die so unterschiedlichen Elizabeth und Alfred an ihrer Ehe festhalten? Warum verliert Alfred das Interesse an Ally, obwohl sie als Kind seine Prinzessin war? Was wird aus Aubrey, der in Kindheit und Jugend eine wichtige Bezugsperson für Ally war?

Auf jeden Fall schließt sich das Buch an die früheren Erfolge der Autorin („Schlaflos“, „Sommerhelle Nächte: Unser Jahr in Island“) an.