Rezension

eine Szenerie aus Gewalt und Brutalität, die ich nicht erwartet habe

Die Unbarmherzigen - Danielle Vega

Die Unbarmherzigen
von Danielle Vega

Zitat:
„Ihre Worte entzünden eine Wärme in mir, die wie ein Streichholz flackert. Ich bin eine von ihnen.“
(S.31)

„Die oberste Stufe der Treppe stöhnt: noch ein Schritt. Da draußen ist jemand.“
(S.87)

„Zwischen uns breitet sich eine unangenehme Stille aus, die nur von den Flammen durchbrochen wird, die um die Dochte der Kerzen züngeln. Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Sünden der anderen kennen möchte.“
(S.101)

Inhalt:
Mal wieder ist Sofia die Neue in der Schule. Ihre Mutter arbeitet in der Armee als Rettungssanitäterin und wechselt oft ihren Einsatzort. So kommt es, dass Sofia alle paar Monate eine neue Schule besuchen muss.

Doch diesmal scheint es anders zu werden. Alles verläuft positiv für Sofia. An der Adams High School in Friend findet sie gleich Anschluss an die Clique der beliebten Riley. Auch zu Brooklyn, einem Mädchen, das sich an keine Regeln hält, kann sie Kontakt knüpfen. 

Doch Sofias Entdeckung auf Brooklyns Party ändert schlagartig alles. Die Dinge nehmen einen ungeahnten Lauf. Plötzlich befindet sich Sofia in einer schier ausweglosen Situation. Ihr Leben ist in größter Gefahr.

Meinung:
Normalerweise halte ich mich von Büchern in grellem Pink ja fern. Meist ist es hier äußerst unwahrscheinlich, dass die Geschichte meinen Geschmack treffen könnte. In der Buchhandlung habe ich auch nur spaßeshalber „Die Unbarmherzigen“ in die Hand genommen und mir den Klappentext durchgelesen. Und da mir dieser zugesagt und mich neugierig gemacht hat, habe ich alle Bedenken über Bord geworfen und bin mit diesem quietschpinkfarbenen Buch nach Hause gekommen.

Das Buch habe ich dann auch gleich am selben Tag begonnen. Ich wurde gut in die Geschichte eingeführt und konnte mich in Sofias Situation hineinversetzen. Ich las mich durch die Seiten und freute mich mit Sofia, dass die Dinge einen so guten Verlauf nahmen. Es ist aus meiner Sicht denkbar schwierig, ständig in neuen Schulen Fuß zu fassen und Freunde zu finden. Doch hier schien es tatsächlich zu gelingen.

Alles verlief für mich also so, wie man es sich vorstellt. Neugierig auf die weiteren Entwicklungen las und las ich. Doch urplötzlich hat Danielle Vega eine Wendung eingebaut, die mich völlig überrascht hat. Nun befand ich mich zusammen mit Sofia in einer wirklich gefährlichen Situation. Ab diesem Zeitpunkt musste Sofia um ihr Leben bangen, hatte Angst und wurde dennoch zu einer Mitläuferin. Jedoch ihr Mitgefühl bleibt ihr. Sie versucht zu helfen und gerät dadurch in noch größere Schwierigkeiten. Die Lage scheint aussichtslos, Sofias Chancen auf ein Überleben sinken überproportional. 

Sofia ist eine Protagonistin, die mir grundsätzlich sympathisch war. Auch wenn ich einige Einblicke in ihre Gedankenwelt erhielt, wahrte sie dennoch eine gewisse Distanz. Letztendlich hatte ich diesen Eindruck aber von jedem Charakter im Buch. Die Charaktere besaßen keine wirkliche Tiefe, auch wenn ich bei ihren Erlebnissen und Handlungen natürlich dennoch gewisse Gefühle nachvollziehen konnte. Sie lebten eher von ihren Handlungen als von ihren beschriebenen Persönlichkeiten selbst. Eine Bindung konnte so nicht durchgehend hergestellt werden.

Der Schreibstil von Danielle Vega kann als einfach und gut lesbar beschrieben werden. Sofia erzählt ihre Erlebnisse in Ich-Perspektive in Gegenwartsform. Natürlich nutzt die Autorin auch die üblichen spannungserzeugenden Stilelemente – wie z. B. kurze Sätze mit Cliffhangern -, verläuft sich hierbei jedoch manchmal in überzeichneten Handlungen und kontrastüberbordenden Szenen. Hiervon wurde ich beim Lesen nicht ausgebremst, hatte dennoch meine Zweifel an der Glaubhaftigkeit einiger Geschehnisse.

Insgesamt muss ich sagen, dass ich in dieser Geschichte nicht eine derartige Masse an roher Gewalt und Brutalität erwartet hätte. Die Charaktere werden zum Teil mit eigenen Ängsten konfrontiert und handeln entgegenwirkend. Mitunter ist ein derartiger vorauseilender Gehorsam feststellbar, den ich an manchen Stellen nicht wirklich nachvollziehen konnte, aber für das weitere Verständnis akzeptiert habe.

Das Ende der Geschichte wirkt für mich nicht befriedigend. Ich habe wirklich so einiges erwartet. Eine paranormale Entwicklung war zumindest für mich nicht eindeutig absehbar und das Geschehen verlief aus meiner Sicht auch zu schnell. Die vielen guten Ansätze in der Geschichte könnten in detaillierterer Form sicherlich so manchen Leser anziehen. Der Klappentext selbst gab diese Entwicklung jedoch nicht her. Insofern könnten so einige Interessierte durchaus enttäuscht werden.

Ein Schlusswort: „Die Unbarmherzigen“ wird für die Altersgruppe 14-17 Jahre ausgezeichnet. Aus meiner Sicht muss hier dringend der Hinweis – mindestens - „ab 16 Jahre“ angebracht werden. Zu brutal und skurril sind einige Szenen dargestellt. Auch über dieses unschuldige pinke Cover, das zwar von einem Blutfleck gesäumt wird, der jedoch nicht wirklich etwas aussagt, sollte dringend nochmals nachgedacht werden. Die Zielgruppe wird dafür dankbar sein!

Urteil:
„Die Unbarmherzigen“ überraschte mich auf eine nicht geahnte Art. Mit unschuldigem Cover daherkommend befand ich mich plötzlich in einer Szenerie aus Gewalt und Brutalität, die ich eindeutig nicht erwartet habe. Ein permanent vorhandener Spannungslevel verschaffte mir, trotz gefühlter Überzeichnung, ein Lesevergnügen, dem ich mich nicht entziehen konnte. Für die Lesestunden an Sofias Seite vergebe ich deshalb gern 3 Bücher.

Für alle, die nicht sofort zwischen Gut und Böse entscheiden wollen, Charaktere akzeptieren, wie sie sind, und von ungeahnten Entwicklungen gern überrascht werden.

©hisandherbooks.de