Rezension

Eine wundervolle Geschichte volle interessanter Wendungen

Bei euch ist es immer so unheimlich still -

Bei euch ist es immer so unheimlich still
von Alena Schröder

Bewertet mit 5 Sternen

Silvia Borowski war ungewollt schwanger, von Martin, dem angehende Juristen und zukünftigen Seniorpartner der Kanzlei seines Vaters. Nachdem Martin es erfahren hat distanziert er sich vehement von Silvia. Die verlässt fluchtartig die Wohngemeinschaft, mit ihrer kleinen Tochter Hannah, klaut Dirks Polo und fährt zügig heim zu ihrer Mutter nach Ildingen. 

Sie hat ihre Mutter Evelyn schon lange nicht mehr gesehen und ist nervös, als sie vor ihrer Tür steht. Als Evelyn öffnet sieht sie anders aus, als Silvia sie in Erinnerung hat. Schmal, zierlich und ungepflegt, die Frau Doktor, die immer so viel Wert auf ihr Äußeres gelegt hat, wegen “der Leut”.

Evelyn hatte vor Silvias Geburt Medizin studiert. Sie war eine Waise, weil ihre Mutter abgehauen war. Sie wuchs bei einer Pflegerin auf und lernte alles über die Krankenpflege. Später wurde sie liebevoll von Karls Familie aufgenommen, ihrem späteren Mann. Kurz nach ihrem Studium geriet sie unter Druck, weil das herbeigesehnte Kind nicht kommen wollte.

Eine Hochstaplerin war sie. Ein Findelkind, aufgenommen von der angesehensten und wohlhabendsten Familie des Ortes. Hatte sich den Sohn geschnappt, einen netten, klugen Mann, der wie durch ein Wunder unversehrt aus Krieg und Gefangenschaft zurückgekehrt war, der ihre Berufung teilte und ihr auch nach der Hochzeit zu arbeiten erlaubte, der ihr nie auch nur den leisesten Vorwurf machte und sie vor seinen Eltern in Schutz nahm. Diesem Mann konnte sie kein Kind schenken, ihren Gönnern keinen Enkel. S. 40

Als das Wunder dann doch noch passierte blieb sie zu Hause, kümmerte sich mit einer Hilfe um Kind und Haushalt und wurde wegen der mangelnden Anerkennung immer unglücklicher. Ihre Tochter merkte das und fühlte sich schuldig. 

Die Geschichte spricht von Evelyns Gefühl der Minderwertigkeit. So wertlos zu sein, dass ihre Mutter sie verlassen hat. Das Gefühl, versucht sie durch Disziplin, Perfektion, Härte und Leistung zu kompensieren. Sie hat enorm hohe Erwartungen an sich selbst, ihre Umwelt aber vor allem an ihre Tochter, die ihr nichts recht machen kann. 

Fazit: Eine wundervolle Geschichte voller interessanter Wendungen. Ich mag den Schreibstil und die Technik sehr. Die Autorin wechselt mit jedem Kapitel die Zeiten. Ein Kapitel spricht über Silvia und die Jetztzeit, das nächste über Evelyn und früher. Dadurch entsteht eine Struktur, der man gut folgen kann. Ich mag, wie der Konflikt zwischen Mutter und Tochter sich zuspitzt, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zum Ende hin entsteht eine Nähe, so plötzlich und dringlich, die mich zu Tränen gerührt hat.