Rezension

Etwas zu naiv und überkonstruiert

Automaton -

Automaton
von Berit Glanz

Bewertet mit 3 Sternen

Berit Glanz´ neuer Roman handelt von einem brandheißen Thema, das im öffentlichen Diskurs bislang noch durch den Rost fällt: Die Ausbeutung der Clickworker.

Als Clickworker werden Arbeitskräfte bezeichnet, die über Plattformen im Internet kleine Aufträge übernehmen und diese am Smartphone oder Computer ausführen. Als Gegenleistung werden Clickworker abhängig vom Arbeitsaufwand und der individuellen Aufgabe bezahlt – meistens extrem schlecht. Stundenlöhne von 2,50 Euro sind keine Seltenheit.

Zwei Erzählstränge hat der Roman, zwei Protagonistinnen: Tiff, alleinerziehend, traumatisiert von einem ihrer Clickjobs und immer auf der Kippe zum Bankrott, lebt irgendwo in Deutschland. Stella ist Amerikanerin, lebt in bescheidenen Verhältnissen und arbeitet bei einer Obdachlosentafel. Ein dritter Strang besteht aus den Postings der Clickworker in ihrem geheimen Chatroom.

Aufgrund eines der Überwachungsvideos, die Tiff als Clickworkerin checken muss, entsteht bald der Verdacht, dass einem Obdachlosem etwas passiert sein könnte. Nur: wo lebt der? Zusammen mit anderen Clickworkern beginnt Tiff zu recherchieren. Gibt es eine Verbindung zu Stellas Lebenswelt? Und wie können sie verhindern, dass ihr Auftraggeber ihre vertragsverletzenden Aktivitäten entdeckt?

Wer hier einen Tech-Thriller erwartet, womöglich mit Sci-Fi-Einschlag wie bei Tom Hillenbrand, liegt falsch. Glanz ist subtiler unterwegs, die Technik bleibt im Hintergrund, der Plot zieht seine Dynamik eher aus dem Wechsel der Perspektiven und der langsamen Enthüllung der Lebensgeschichte der Protagonistinnen.

Sprachlich hat mir der Roman gut gefallen; der Stil ist flüssig und hat es nicht nötig, beeindrucken zu wollen. Gezeigt wird auch, wie nah die globale Vernetzung Menschen zusammenbringen, ja dass sie tatsächlich ein Segen sein kann. Genau das ist aus meiner Sicht auch der Schwachpunkt des Romans: er ist mir zu didaktisch und die Botschaft "Gemeinsam können wir es schaffen" zu platt. Zudem handeln die Clickworker aus meiner Sicht reichlich naiv, und der Krimiplot wirkt auf mich konstruiert und unwahrscheinlich.

Insgesamt war mir der Roman zu leise, das Elend der Clickworker wurde nur angerissen, meine emotionale Beteiligung hielt sich in Grenzen. Dennoch ein unterhaltsamer aufklärender Text, der durchaus Spannung aufbaut.

Fazit: Empfehlenswert für Freund:innen einer optimistischen Weltsicht; Zynikern rate ich eher ab. ;-)