Rezension

Fassungslosigkeit und Wut machen sich breit

Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen - Kirsten Boie

Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen
von Kirsten Boie

Bewertet mit 4 Sternen

Zusammenfassung:
Poetisch, erschütternd und berührend: Kirsten Boies Afrika. Lungiles kleine Schwester Jabu braucht neue Schuhe, damit sie weiter die Schule besuchen darf. Da niemand Lungiles geflochtene Matten kaufen will, verkauft sie ihren Körper. Thulani spricht manchmal nachts mit seiner Mutter, die neben der Hütte begraben ist. Er könnte eigentlich zur Schule gehen, da Waisen kein Schulgeld bezahlen müssen. Aber niemand hilft ihm, den Totenschein zu besorgen. Kirsten Boie erzählt vier Geschichten von Kindern in Afrika, die viel zu schnell erwachsen werden. Ein wunderbar poetisches und dichtes Buch von berührender Schönheit, literarisch und sehr persönlich. Mit einem Nachwort der Autorin und wunderschönen Tafelbildern von Regina Kehn. (Quelle: Lovelybooks)

Das Cover/ Gestaltung des Buches:
Auf den ersten Blick muss ich an Afrika denken, wenn ich mir dieses Cover anschaue: Vor einem rotbraunem Hintergrund sieht mich ein mageres Kind mit ausdruckslosem Gesicht an. Obwohl es recht abstrakt gezeichnet ist, sieht man die Ernsthaftigkeit in seinem Blick. Der Mund des Kindes wird durch den Buchtitel ersetzt, was ein leicht beklemmendes Gefühl bei mir hinterlässt. Im Nachhinein muss ich sagen, hat mich das Cover schon auf den ersten Blick gut in die Stimmung der Geschichten transportiert.
Die Zeichnungen sind farblich passend zum Cover in Erdtönen gehalten. Sie bestechen durch ihre Schlichtheit und bringen ihre Intention, genau wie die Autorin ihre Texte, schnörkellos auf den Punkt.

Meine Zusammenfassung und Meinung:
Normalerweise bin ich ein Schnellleser. Dieses Buch ist recht dünn und eigentlich wäre es ein Fall für einen netten kleinen Leseabend gewesen. Auf den 112 Seiten beschreibt Kirsten Boie in 4 Geschichten „ihr“ Afrika und schon allein die erste Geschichte hatte für mich mehr Inhalt als so manch dickes Buch, was ich schon gelesen hatte. Schnell lesen ging also bei „Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen“ nicht. Meine Dosis fiel geringer aus: Eine Geschichte pro Tag und dann erstmal verarbeiten.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass auch ich nach tausenden von Schreckensbildern und -meldungen in den Medien leider etwas abgestumpft bin, was die Meldungen über die armen afrikanischen Menschen betrifft. Ganz anders war die Wirkung dieser Geschichten auf mich. Die Autorin setzt ihre Inhalte stilistisch äußerst passend um. Schnörkellos, ohne Gefühlsduselei bringt sie die Fakten der afrikanischen Kinder auf den Tisch. In ihrer Not treten bei ihnen ganz wunderbare Eigenschaften zutage. Die meisten Kinder sind sehr fürsorglich zu ihren Familienmitgliedern und der Zusammenhalt der armen Menschen ist sehr groß, was sie in diesem Punkt reicher macht, als viele von uns „Reichen“ es sind.
Zumindest ein Elternteil, manchmal auch beide, wurden oftmals von AIDS oder anderen Krankheiten dahingerafft. Da gibt es dann kein Jammern und sich selbst Bemitleiden. Diese Kinder sind stärker als ich es von Menschen diesen Alters erwartet hätte und mir traten oft die Tränen in die Augen, wenn ich las, was einige auf sich nahmen, um dem jüngeren Geschwisterkind den Schulbesuch zu ermöglichen. Diese Menschen, vor allem die Kinder haben so viel Besseres verdient!

Zur Umsetzung der Thematik muss ich sagen: Hut ab, Frau Boie und Regina Kehn! Angefangen bei der Gestaltung des Covers und der Bilder bis hin zum Erzählstil. Dieser Satzaufbau, der so wirkt als ob man etwas erzählt, was einen wirklich schockt, wodurch eine noch eindringlichere Wirkung -zumindest auf mich- erzielt wird.... Andererseits die emotionslose Beschreibung und oft auch Ausweglosigkeit der Lage und Dinge. Es ist halt so und es ist gut so.... Und in unserem Land wird gejammert, weil der Nachbar einen dickeren Mercedes fährt als man selbst, um es überspitzt auszudrücken.
Die Geschichten steigern sich, allerdings fällt für mich die letzte Geschichte etwas aus dem inhaltlichen Rahmen ihrer Vorgänger. Sie war zwar sehr tragisch zu lesen, aber die ersten drei sind für mich typischer afrikanisch. In den ersten drei Erzählungen stehen das arme Leben und die Ausweglosigkeit im Vordergrund, in der letzten eher die Folgen eines bockigen, ungehorsamen Kindes. Hier fand ich den Schreibstil auch am extremsten und teilweise etwas verwirrend. Da holperte es beim Lesen und Nachvollziehen an einigen Stellen bei mir.
Während und nach der Lektüre machte mich vor allem der Verursacher des größten Teils des Elends so wütend.
Über allem schwebt nämlich der scheinheilige König, der Gesetze erlässt bzw. seinen Willen kundtut, sich aber in keiner Weise um die Folgen für seine Untertanen schert.
Schlimm sind alle Erzählungen, am tiefsten berührt hat mich die erste, „Ich kenne einen Jungen in Afrika“.

Mein Fazit:
Gelungene Umsetzung und Darstellung des Themas mit kleinen Abstrichen.
Ich vergebe 4 von 5 Sternen und wünsche mir, dass möglichst viele Menschen dieses Buch lesen. Besonders geeignet halte ich es für den Einsatz als Schullektüre ab der Mittelstufe.

Infos zum Buch:
„Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen“ ist am 01.10.2013 unter der ISBN-Nr. 9783789120190 im Oetinger-Verlag erschienen. Es umfasst 112 Seiten und ist auch als eBook erhältlich. (Quelle: Lovelybooks)