Rezension

Fesselnd bis zur letzten Zeile

Tod am Wörthersee - Andrea Nagele

Tod am Wörthersee
von Andrea Nagele

Bewertet mit 5 Sternen

„...Das Blut pulsiert in meinen Adern. Egal wohin mich mein Weg führen wird, eines ist gewiss: Das dunkle Zimmer bleibt nun für mich verschlossen...“

 

Das Buch beginnt heftig. Ein Mann wartet in einem Zimmer auf eine Frau. Kurze Zeit später ist sie tot. Schon diese ersten Seiten zeichnen das Psychogramm eines Mörders.

Alice arbeitet in einem Fitnessstudio. Ihre Kunden trainiert sie hart. Doch sie hat ein Problem. Sie hat Angst vor Spiegeln.

Luigi Olivetto ist Italiener und Polizist. Seit zwei Generationen lebt seine Familie in Kärnten. Als er nach Hause kommt, ist seine Frau Gina nicht da. Die Vermisstenanzeige wird nicht besonders Ernst genommen.

Es sind nur drei kurze Episoden, die den Beginn eines fesselnden Krimis kennzeichnen. Das Buch lässt sich flott lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen.

Es sind die gebrochenen Charaktere, die im Mittelpunkt der Handlung stehen und für einen hohen Spannungsbogen sorgen. Dazu gehört außer den schon Genannten auch Inspektor Rosner. Nach dem Tod seines einzigen Kindes kann er ohne Alkohol nicht mehr leben. Trotzdem zeigt er in eigenen Szenen, das er ein genialer Ermittler war.

Der Schriftstil ist angenehm lesbar. Kurze Kapitel und schnell wechselnde Handlungsorte und Personen erhöhen den Spannungsbogen. Die Autorin versteht es, die psychischen Tiefen ihrer Protagonisten auszuloten. Dazu nutzt sie unter anderen Rückblicke in die Vergangenheit. Sie sind kursiv im Buch eingefügt. Das betrifft insbesondere Alice und den Täter. Trotz ähnlicher Kindheitserlebnisse haben sich beide völlig unterschiedlich entwickelt. Gemeinsam aber ist ihnen, dass sie Probleme haben, normale Beziehungen zu ihrem Gegenüber aufzubauen. Alice zum Beispiel legt Wert auf größtmögliche Distanz. Ihre einzige Vertraute ist die langjährige Freundin Ännchen. Ihr Tod trifft sie hart. Als Alice einen weiteren Verlust zu beklagen hat und dabei eine weitere Sicht auf ihre Kindheit gezeigt bekommt, fällt obiges Zitat. Es ist nur ein minimaler Ausschnitt aus ihren Gedanken zu dem Geschehen. Dabei spielt das dunkle Zimmer im Laufe der Handlung nicht nur in einer Hinsicht eine unrühmliche Rolle.

Geschickt versteht es die Autorin, immer wieder Spuren zu legen, die in die Irre führen. Miträtseln und Kombinieren fordern mich als Leser und setzen ein konzentriertes Lesen voraus.

Das Cover mit der Brücke, die in den See führt, passt zur Handlung.

Der Roman hat mir ausgezeichnet gefallen. Das lag nicht nur an den ungewöhnlichen Protagonisten, an den komplexen Beziehungen zu Handelnden zueinander und an dem abwechslungsreichen Geschehen, sondern auch an den gekonnten Spiel mit menschlichen Sehnsüchten und den Folgen einer schwierigen Kindheit. Zerstörung des Selbstbewusstseins, Machtausübung, Wegsehen aus Angst, Vergeben und Verzeihen, Schuld und Reue sind Themen, die die Handlung durchziehen.