Rezension

Gelungener High Fantasy Auftakt, der sich auch für Einsteiger eignet!

Der Herr der Tränen - Sam Bowring

Der Herr der Tränen
von Sam Bowring

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt 
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Ursprünglich waren die Wächter tapfere und gute Menschen. Sie sind ausgezogen um den Herrn der Tränen aufzuhalten, der die Welt mit seiner magischen Manipulation in den Abgrund stürzen wollte. Doch etwas ging bei der Rettungsmission schief, die magischen Fäden wurden auf die Retter übertragen, statt das Gleichgewicht wiederherzustellen. Ein Großteil der Helden veränderte sich und wütete daraufhin noch schlimmer, als der Tyrann vor ihnen.

Doch diese Zeiten sind nun schon seit 300 Jahren vorbei. Niemand hat mehr einen der Wächter gesehen. In den letzten Jahren gab es zahlreiche andere Schlachten zu schlagen, bei denen sich der Krieger Rostigan einen Namen gemacht hat. Die Bardin Tarzi hat sich an seine Fersen geheftet, auf der Suche nach Stoff für neue Lieder und Geschichten. Rostigan ist das alles so leid und doch scheint sich Tarzis Wunsch zu erfüllen. Denn die Wächter sind zurückgekehrt.

Mein Eindruck
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Es gibt High Fantasy Bücher, die erschlagen den Leser von Beginn an mit Umfang und Komplexität. Viele Leser schreckt ab, sich erst in eine Welt hineinlesen zu müssen, bis man sie richtig genießen kann. Bei "Der Herr der Tränen" fand ich es unheimlich gelungen, wie leicht dieser Einstieg fällt und damit beweist, dass auch High Fantasy von Beginn an zugänglich sein kann. Anfangs lernt man Rostigan kennen, einen Krieger, der es leid ist zu kämpfen. Das passt seiner Begleiterin Tarzi gar nicht. Sie ist auf der Suche nach Stoff für neue Lieder und dafür müssen Heldentaten her.

Heldentaten gab es allerdings in der Vergangenheit zu Genüge. Ein mächtiger Fadenwirker, der Herr der Tränen, hatte Aorn unterworfen und drohte das magische Gleichgewicht zu zerstören. Er wurde gestoppt, doch aus den Rettern wurden noch schlimmere Kreaturen. Die Magie des Tyrannen lebte in ihnen weiter. Mir hat es gut gefallen, wie der Autor einem im Laufe des Buches sämtliche Wächter näherbringt. In wechselnden Perspektiven erfährt man, welche Menschen sie früher waren und was nun aus ihnen geworden ist. Die Diebin, Forger, Salarkis, Despirrow usw., alles Gestalten, denen man lieber nicht begegnen möchte. Demgegenüber stehen wenige Ausnahmen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die anderen Wächter aufzuhalten. Mit Rückkehr der Wächter geht alles wieder von vorne los. Gut gegen Böse. Grausamkeit gegen Gnade. Ein Wettlauf gegen die Zeit. 

Gelungen fand ich auch, wie greifbar und erklärbar das Magiesystem ist. Hier wird nicht mit Blitzen aus dem Nichts geschleudert, sondern alles basiert auf einer Struktur aus magischen Fäden. Verändert man die Struktur, verändert man dadurch die Umwelt. Daher haben die "Fadenwirker" ihren Namen. Jeder der Wächter hat zusätzlich noch besondere Fähigkeiten. Umso bitterer, dass die veränderten Wächter diese Fähigkeiten gnadenlos missbrauchen. 

Ein wenig Schade fand ich, dass Rostigans Entwicklung und Stellung in der Geschichte zunehmend in den Hintergrund gerät. Nach einer schockierenden Enthüllung zur Mitte hin dreht sich später eigentlich nur noch alles um die Wächter. "Normale" Menschen sind eher Beiwerk und fast schon machtlos. Nichtdestotrotz ist dieser Kampf fesselnd und von Anfang bis Ende spannend. Hut ab davor, wie Sam Bowring dieser Welt Leben eingehaucht hat und mit seiner Geschichte durchgehend begeistern kann.

Fazit 
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"Der Herr der Tränen" ist ein faszinierender Auftakt. Innerhalb kürzester Zeit taucht man in eine Geschichte ein, in der es nur auf dem ersten Blick ausschließlich um "Gut gegen Böse" geht. Denn auf beiden Seiten gibt es Grauzonen. Am Ende wollen beide gewinnen, es bleibt abzuwarten, ob es auch für alle anderen (eigentlich unbeteiligten) Menschen ein gutes Ende nimmt. Besonders hat mir gefallen, wie zugänglich die Welt und ihr Magiesystem sind. Darüber hinaus werden einem die Hauptakteure Stück für Stück näher gebracht, ohne mit Informationen zu überfordern. Ich hätte mir nur gewünscht, dass Rostigan weniger zur Nebenfigur abdriftet. Und dieses abrupte Ende, fies! Aber ich freue mich jetzt schon auf den Abschluss!