Rezension

großartige Erzählung

Baba Dunjas letzte Liebe
von Alina Bronsky

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:

Baba Dunja ist eine Tschernobyl-Heimkehrerin. Wo der Rest der Welt nach dem Reaktorunglück die tickenden Geigerzähler und die strahlenden Waldfrüchte fürchtet, baut sich die ehemalige Krankenschwester mit Gleichgesinnten ein neues Leben im Niemandsland auf. Wasser gibt es aus dem Brunnen, Elektrizität an guten Tagen und Gemüse aus dem eigenen Garten. Die Vögel rufen so laut wie nirgends sonst, die Spinnen weben verrückte Netze, und manchmal kommt ein Toter auf einen Plausch vorbei. Während der sterbenskranke Petrov in der Hängematte Liebesgedichte liest und die Melkerin Marja mit dem fast hundertjährigen Sidorow anbandelt, schreibt Baba Dunja Briefe an ihre Tochter Irina, die Chirurgin bei der deutschen Bundeswehr ist. Doch dann kommt ein Fremder ins Dorf – und die Gemeinschaft steht erneut vor der Auflösung… (Klappentext)

Meine Meinung:

Ach Baba Dunja, das Mütterchen wie es im Buche steht. Die herzliche alte Dame hat mich sofort gefangen genommen. Die "Welt" in der sie lebt, für mich von Anfang an unbegreiflich. Baba Dunja erzählt von ihrer Liebe zu dem Land auf dem sie lebt, von den Beeren sie besonders lecker sind, den Vögeln die besonders laut sind, den Spinnen, die besonders talentiert sind. Aus jeder Seite des Buches quillt ihre Zuneigung zur Heimat.

Die Gemeinschaft lebt völlig autark, niemand kommt nach Tschernowo. Schließlich ist der Fleck Erde verstrahlt. Doch eine wirkliche Gemeinschaft hat das dorf nicht, denn sie sind nicht dort hin gezogen um große Gesellschaft zu genießen. Sie sind dort weil sie die Einsamkeit mögen.

Baba Dunja ist die ungewollt inoffizielle Chefin der kleinen Runde und versucht alles zusammen zu halten als Unheil droht. Sie ist sympatisch, aber nicht sehr gesellig. Alina Bronsky malt mit Wörtern ein wundervolles Bild einer alten Dame.
Die weiteren Charaktere bleiben im Hintergrund, es ist ausschließtlich Baba Dunjas Geschichte. Bei 160 Seiten ist das auch nicht weiter schlimm.

Klare, ruhige Sätze denen es an Ausdruck nicht fehlt. Ich glaube die Autorin hat bewusst extreme Emotionen vermieden in ihrem Schreibstil. Gerade das macht das Buch sehr interessant, trotzdem fehlte mir ein wenig dieser emotionale Aspekt. Außer der Liebe zu ihrem "Heim" und ihrer Enkelin, blieb das Buch mehr Erzählung als Unterhaltungsliteratur.

Zum Ende kann ich nicht viel sagen, ohne die Geschichte vorweg zu nehmen. Zum Ende blieb bei mir die Frage: Wer ist Baba Dunjas letzte Liebe? Ich glaube es ist Tschernowo, ihr Zuhause. Für ihr Heim würde sie vieles tun und vieles in Kauf nehmen. Selbst wenn es bedeutet die eigene Familie nicht mehr zu sehen.

Mein Fazit:

Eine sehr interessante Geschichte die mich zum Nachdenken angeregt hat, was "Zuhause" für mich bedeutet. Ein sehr lesenswerter, gehobener Roman.