Rezension

Unerwartete Idylle

Baba Dunjas letzte Liebe
von Alina Bronsky

Bewertet mit 4 Sternen

Die ehemalige Krankenschwester Dunja ist zurück in ihr altes Dorf bei Tschernobyl gezogen. Natürlich ist es sehr einsam, da nur ein paar alte Leute zurückgekehrt sind. Dunjas Tochter lebt in Deutschland, die Enkelin hat sie noch nie gesehen. Gleich im ersten Absatz steht ein Satz, der für mich den Ton dieses Buches festlegt und sehr viel über Baba Dunja aussagt. Über den verrückten Hahn ihrer Nachbarin sagt sie: "Ich glaube nicht, dass es mit der Strahlung zu tun hat. Man kann sie nicht für alles, was blöd zur Welt kommt, verantwortlich machen."

So ist Baba Dunja. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund; gleichzeitig ist sie aber warmherzig, hilfsbereit und vermisst ihre Familie sehr. Von ihrem Sohn ist sie entfremdet, der Tochter schreibt sie regelmäßig Briefe und bekommt von ihr Päckchen mit Dingen, die sie nicht unbedingt braucht. Von der Enkelin kommt einmal ein Brief, den Baba Dunja nicht lesen kann, da er nicht auf Russisch ist…

Das Handlung spielt im Sommer und die Atmosphäre ist besonders, da einerseits die ländliche Idylle beschrieben wird, man andererseits aber ständig im Hinterkopf hat, wo dieses Dorf liegt… Die Dorfbewohner sind auf sich gestellt, da sie in der Todeszone wohnen, die nicht betreten werden darf und in der offiziell niemand wohnt. Post gibt es keine, wie lange es noch Strom gibt, weiß niemand. Eines Tages kommt ein Fremder mit seiner Tochter ins Dorf. Es passiert etwas, das für das Leben aller Dorfbewohner schwerwiegende Folgen hat, vor allem für Baba Dunjas.

"Baba Dunjas letzte Liebe" ist ein schmales Büchlein von 160 Seiten. Am Anfang liest es sich wie ein normaler Roman, aber im letzten Drittel rutscht es leider in eine zu lang geratene Kurzgeschichte ab. Das Buch ist wunderschön geschrieben, so dass man am liebsten sofort losfahren und auch in Baba Dunjas Dorf leben möchte. Die Personen sind schrullig und liebenswert zugleich und für mich hätte es noch ein paar hundert Seiten so weitergehen können. Doch nach dem Vorfall mit dem Fremden im Dorf ändert sich alles: neue Personen kommen dazu, über die der Leser nicht viel erfährt, und die Handlung wirkt abgehackt und hektisch.

Am Ende bleiben so viele Fragen offen und über so viele Personen hätte man gerne viel mehr erfahren! Es ist irgendwie zu wenig für einen Roman und er endet zu abrupt. Das ist wirklich schade und ich war am Ende des Buches etwas enttäuscht, da ich gehofft hatte, die Leichtigkeit des Anfangs würde wiederkommen - was sie aber nicht tat – und dass das die Handlung mehr in sich abgeschlossen sein würde.