Rezension

Grotesk, Brutal, nackte Haut und ein bißchen Ekel - ein typischer Laymon

Das Loch - Richard Laymon

Das Loch
von Richard Laymon

Bewertet mit 5 Sternen

Eins steht fest: An Richard Laymon scheiden sich die Geister. Für die einen einen ist ein Visionär des grotesk-abgefahrenen Schockergenre, für andere ein schmuddeliger Schreiberling ohne Niveau. Wer von diesen beiden Fraktionen die besseren Argumente für sich hat, wird freilich für immer unentschieden bleiben. Ich persönlich würde Laymon nicht zu meinen Lieblingsautoren zählen, dennoch üben seine Bücher eine gewisse Faszination auf mich aus, weswegen in regelmäßigen Abständen immer mal wieder eines seiner Werke in meinen Händen landet. Natürlich war ich sehr gespannt, wie sich "Das Loch" für mich neben den bisherigen Büchern einreihen würde: Eher auf der Seite des bizarr-guten "Das Grab", oder doch eher in der Richtung des eher schwachen "Das Spiel"? Die frohe Botschaft - für mich - ist: "Das Loch" ist tatsächlich ein kurzweiliges Buch und in meinen Augen eines von Laymons besseren Werken! Folgend will ich darlegen, was den Leser beim Kauf dieses Buches in etwa erwartet. Ich beginne mit einer kurzen Inhaltsangabe des etwas über 500 Seiten langen Werkes (Kurzfazit wie immer am Schluss):

Laymon steigt direkt voll ein: Die junge Aushilfslehrerin Pamela steckt ordentlich in der Klemme. Ein ehemaliger Mitschüler und Verehrer der jungen Dame entpuppt sich als irrer Serienkiller, der von ihrem Leben nichts als Trümmer zurücklässt und Pamela gefesselt in ihr neues gemeinsames "Zuhause" verschleppen möchte. Durch das Eingreifen eines rätselhaften Fremden gelingt Pamela schließlich die Flucht - gleichzeitig ist der junge Student Norman im Auto seines Vaters auf dem langen Weg nach Hause. Wenig später gerät er an zwei sonderbare Gestalten: Den Prototypen des jugendlichen Rabauken Duke sowie an die junge Anhalterin Boots. Unterwegs entpuppen sich die beiden in "Natural Born Killers"-Manier als sorglose Psychopathen, die Norman in einen Strudel von Gewalt und Sex ziehen. Die Wege all dieser Menschen kreuzen sich schließlich in dem titelgebenden Nest "Pits" - ein Ort mit einem ganz besonderem Geheimnis...

Man sieht an der Einleitung - ein typischer Laymon. Kranke Geister an jeder Ecke - Ordentlich Gewalt, Brutalität, schwarzer Humor und ein gehöriger Schuß Sex. Was soll man dazu sagen? Man bekommt, was man von Laymon gewohnt ist. Wenn man erstmal bereit ist, sich auf das absurde Szenario einzulassen, nimmt Laymon den Leser mit auf einen Roadtrip voller abartiger Einfälle, schlüpfriger Erotik und unberechenbarer Figuren. Dieser Mix macht seit jeher die Faszination von Laymons Büchern aus. Leser, für die dies das erste Werk dieses Autors ist, seien gewarnt: "Das Loch" ist an vielen stellen geschmacklos, grenzüberschreitend, ekelig. Stellenweise kommt man sich vor, wie bei einem Schmuddel-Grindhouse-Film in Buchform gebannt, aber - und das ist das bemerkenswerte - Laymon schafft es tatsächlich das ganze mit einem spannenden Handlungsbogen und kreativen Einfällen auch für "gewöhnliche" Leser genießbar zu halten.
Ich habe beispielsweise für die oben genannten Elemente nicht sonderlich viel übrig, habe mich durch "Das Loch" allerdings trotzdem gut unterhalten gefühlt: Laymon bietet ungewöhnlich-einzigartige Charaktere auf, die zwar ab und zu ins Stereotypische verfallen, aber größtenteils herrlich abgefahren-unberechenbar bleiben. Er lässt den Leser nie zu lange von der Leine und man rast tatsächlich förmlich durch die Seiten um zu sehen, wie dieses verrückte Abenteuer sein Ende findet und welche gruseligen Geheimnisse "Pits" am Ende noch offenbaren kann. Wo "Das Spiel" stark begann und am Ende einfach nur noch langweilig wurde, macht "Das Loch" es genau richtig: Laymon steigt stark ein und hält das Tempo bis zum Ende hoch. Mit dem Spannungsbogen bin ich also diesmal durchaus zufrieden.

Dass Laymon kein blutiger Schmuddelautor aus der Groschenheft-Ecke ist, erkennt man auch an seinem Schreibstil. Der ist angenehm flüssig, manchmal vielleicht ein bißchen flach - aber immer zielführend. Tiefgründige Dialoge, ästhetische Landschaftsbeschreibungen oder philosophische Erörtungen sucht man eigentlich vergebens, aber das ist auch nicht Laymons Feld und das habe ich folglich auch von "Das Loch" nicht erwartet. Laymons Art zu Erzählen passt hervorragend zu der brutalen, schnörkellosen Geschichte die er darbieten möchte.

Wie immer komme ich noch kurz zu den Schwächen des Buches: So rasant "Das Loch" daher kommt, hätte das Buch wohlmöglich auch gut etwa 100 Seiten kürzer sein können, ohne eine signifikante Qualitätseinbuße in Kauf nehmen zu müssen. Das Setting und die Charakter sind gewohnt abgedreht, aber man könnte auch einwenden, dass die Geschichte selbst sich wie eine zusammengetackerte Collage verschiedener Horrorklischees anfühlt - Das ist zweifelsohne richtig. Auch die Charaktere verlieren ein wenig ihren Reiz, wenn man denn erstmal ein paar Bücher von Laymon gelesen hat: Man erkennt wiederkehrende Muster, hat zuweilen das Gefühl, das schonmal in der Art gesehen zu haben.
Schlussendlich noch eine persönliche Einschätzung, die aber sicherlich Geschmackssache ist - mir persönlich ist Laymon oft zu explizit. Passagen, in der sich in Münder von Leichen erbrochen wird, Kehlen aufgeschlitzt, Menschen zerteilt etc.: Ich weiß sehr wohl, dass das nunmal Laymons Stil ist und auch (mit) der Grund, wieso er eine gewisse Fangemeinde hat, mein persönlicher Geschmack ist das aber nicht und ich würde mir manchmal wünschen, er würde sich öfters ein bißchen mehr dem subtilen Grauen widmen.
Oh, und eine Sache noch: Wer auch immer für die einfallslosen Übersetzungen von Laymons Büchern verantwortlich ist, sollte sich vielleicht mal irgendwie weiterbilden. "Das Loch". "Das Grab". "Das Inferno". "Die Insel". "Das Spiel", etc.. Nicht nur dass diese Titel schrecklich langweilig sind und oft mit dem Originaltitel nichts mehr zu tun haben - sie sind oft genug auch schlicht und ergreifend nicht mit dem Inhalt das Buches verknüpft. Hier ist das zwar ausnahmsweise mal nicht der Fall, trotzdem hätte sich hier mal wer mehr Mühe geben können.

Ich komme zum Fazit:

"Das Loch" ist ein typischer Laymon, und zwar in meinen Augen einer der besseren Sorte. Man bekommt, was man von Laymon erwarten kann - Gewalt, Wahnsinn, bizarre Entwicklungen, schwarzen Humor und einen ordentlichen Schuss Sex, Gore und Ekel. Wer mit dieser Mischung etwas anfangen kann oder ohnehin Fan von Laymon ist, kann bedenkenlos zugreifen. Auch Leser, die an diesen Dingen nicht sonderlich interessiert sind, können einen Blick riskieren, wenn sie ein kurzweiliges, kreatives und spannendes Thriller/Horror-Werk mit stattlicher Länge lesen möchten. Vorraussetzung ist dafür natürlich, dass man nicht zu zart besaitet ist und sich von genannten Dingen nicht angestoßen fühlt. Wer subtilen Horror sucht, etwas mit mehr Tiefgang, einer brandneuen Story oder einem authentischen Setting, wird vermutlich mit einem anderen Buch glücklicher.