Rezension

Guter Denkanstoß zum Thema "Gender"

The Power - Naomi Alderman

The Power
von Naomi Alderman

Bewertet mit 3.5 Sternen

Als junge Frauen weltweit die Kraft entwickeln, mit den Händen Elektrizität auszustoßen und diese Macht auch in älteren Frauen wecken können, ändern sich die Verhältnisse zwischen den Geschlechtern grundlegend.
Aus der Sicht von Allie, Roxy, Margot und dem Journalist Tunde werden die Ereignisse über zehn Jahre hinweg erzählt.
In der Rahmenhandlung erfährt der Leser dann zusätzlich, dass es sich bei „The Power“ um ein "Buch" über diese Ereignisse, ergänzt mit Zeichnungen historischer Artefakte, handelt.
Klingt jetzt verwirrend, ist aber wichtig für den Plottwist von "The Power". Alle Puzzleteilchen der großartig ausgeklügelten Idee der Baileys-Preisgewinnerin Naomi Alderman passen am Ende alle zusammen. Ich liebe solche Geschichten und fand daher auch das Rätselraten um die Artefakte, die Zeitlinie, in der Buch und Rahmenhandlung spielen sowie den Höhepunkt, auf den alles unweigerlich zusteuert, am Besten an diesem Buch.

Doch „The Power“ liefert vor allem Denkanstöße zum Thema Geschlechtsrollen/Gender, indem die Autorin unserer Gesellschaft den Spiegel vorhält. Männer werden von Frauen vergewaltigt, weil sie die Stromstöße doch haben wollten. Männliche Babys werden zuhauf abgetrieben, männliche Jugendliche trauen sich nicht mehr alleine auf die Straße...
Die Erstarkung des „schwachen Geschlechts“ führt natürlich auch zu Umstürzen ganzer Regimes und zum Widerstand der Männer, die ihre Vormachtstellung nicht kampflos aufgeben wollen.

Neben der Gender-Thematik spielen auch Macht und Korruption eine Rolle. Die Autorin hat keine Utopie des Matriarchats geschaffen mit diplomatisch agierenden Frauen und einer Welt ohne Kriege, die man sich vielleicht vorstellen möchte. Nein, „power doesn't care who uses it.“ Die Frauen nutzen ihre Macht aus, unterdrücken andere und werden korrupt, Kriege brechen aus. Politisch und zeitgenössisch liefert „The Power“ viele Diskussionsthemen.

Erzähltechnisch haben mir manche Aspekte dagegen weniger gut gefallen, so dass ich dem Buch keine volle Punktzahl gebe. Im Mittelteil des Buches stagniert das Erzähltempo, an anderen Stellen werden Dinge durch Zeitsprünge nur unzureichend erklärt (NorthStar). Handlungsstränge, die zu Beginn sehr viel Raum einnehmen, verschwinden gegen Ende fast ganz (z.B. Margot). Die Erzählung konnte mich einfach nicht immer fesseln.

Die Charaktere Roxy, Allie und Margot sind mehr Prototypen von Bastionen männlicher Vorherrschaft als Protagonisten. Ein Journalist und Chronist der Ereignisse aus männlicher Sicht, eine machthungrige Politikerin, eine „Gangsterbraut“, die ihre Interessen clever und gewaltbereit vertritt, eine ebenso machthungrige religiöse Sektenführerin. Wobei ich ohne letzteren, den Handlungsstrang rund um Allie, auch gut hätte leben können. Enigermaßen sympathisch waren mir nur Roxy und Tunde.
„The Power“ ist zwar ein aktuelles Buch mit einer cleveren Idee dahinter, die Ausführung konnte mich aber nicht ganz einnehmen.