Rezension

Himmel und Erde

Die Stimmen über dem Meer - Bettina Storks

Die Stimmen über dem Meer
von Bettina Storks

Bewertet mit 5 Sternen

»Das Haus hatte ihre Seele berührt, das Meer, der Wind, die Landschaft ihrer Kindheit. Der einzige Ort auf der Welt, an dem Morganes Mutter in jeder Welle, die ans Ufer schwappte, spürbar war.«

Finistère, ein kleiner Küstenort in der Bretagne. Ein altes Steinhaus an den Klippen hat Morganes Tante Fanny ihr dort hinterlassen. Seit vielen Jahren war Morgane nicht mehr dort gewesen, schon lange mied sie den Ort, mit dem sie so viele glückliche Kindheitserinnerungen verband. Den Ort, an dem ihre Mémé ihr so viele wundervolle Geschichten erzählt hatte, den Ort, den sie so oft gemeinsam mit ihrer Mutter, einer gebürtigen Bretonin besucht hatte. Und an dem ihre Mutter eines Tages bei einem Badeunfall ums Leben gekommen war.

Eigentlich will Morgane nur ihr Erbe antreten, das Haus dann verkaufen und nach Deutschland zurückkehren. Aber das Meer und die ganz eigene Landschaft üben einen starken Reiz aus, dem sich die Halbbretonin nicht entziehen kann. Was, wenn sie hierbleibt? Ein neues Leben beginnt? Wenn sie endlich versucht, die Wahrheit über den mysteriösen Tod ihrer Mutter herauszufinden?

 

Was für ein Buch! Ich sitze hier, habe es beendet, zugeklappt und bekomme es nicht aus meinem Kopf. Immer noch schwingt seine ganze Atmosphäre in mir, immer noch habe ich das warme Gefühl im Bauch, das sich beim Lesen eingestellt hatte.

Bettina Storks hat es mit wundervollen Worten geschafft, die Küste der Bretagne vor meinem geistigen Auge entstehen zu lassen. Ich war noch nie dort und habe doch das Gefühl, als müsste ich mich auskennen, würde ich jetzt dorthin fahren. (Was ich übrigens am liebsten sofort tun würde ;-) So, wie sie die raue Schönheit der Landschaft beschreibt und den besonderen Charme der Bretonen, vermute ich, dass sie die Gegend sehr lieben muss.

»Die Menschen hier sind anders. Sehr direkt. Sie sagen, was sie meinen, und sie meinen, was sie sagen. Dies ist nicht Paris, hier ist ein anderes Frankreich, die wahre Bretagne, Madame … Sie müssen hinter die touristische Maske blicken, um uns zu finden. Hier sind die Rebellen zu Hause, die Kämpfer. Sie werden sich an diesen Menschenschlag gewöhnen und uns, wenn es erst einmal so weit ist, nicht mehr missen wollen.«

 

Sehr intensiv begleitet der Leser Morgane auf ihrem Weg. Einem Weg, der nicht nur zur Wahrheit führt, sondern auch zu sich selbst. Deutlich spürt man, was der plötzliche Tod der Mutter bei der damals Zehnjährigen angerichtet hat. Wie all die unbeantworteten Fragen eine Wunde rissen, die bis zum heutigen Tag nicht heilen konnte. Wird die Wahrheit ihr helfen können? Oder vielleicht alles noch schlimmer machen? Wie kann es sein, dass sie hier immer wieder Menschen begegnet, die mehr über ihre Mutter wissen, als sie selbst?

Bis zum Ende wird Morgane – und der Leser mit ihr – eine Achterbahn der Gefühle durchleben. Sie wird hoffen und verzweifeln, neu anfangen und aufgeben, glücklich sein und trauern. Neue Menschen werden in ihr Leben treten, neue Beziehungen werden entstehen, andere sich verändern oder enden. Das Ende wird sie mit einer Gewissheit belohnen, die auch dem Leser in chaotischen Zeiten Mut machen und den Blick in die Zukunft erleichtern kann.

 

Fazit: Ganz großes Kino! Ein wundervolles Leseerlebnis, das ich nur empfehlen kann.

 

»Nirgendwo auf der Welt liegen Himmel und Erde so nah beieinander wie in der Bretagne.«

Kommentare

Arietta kommentierte am 09. Oktober 2015 um 13:54

Oh, Manu66,

deine Rezi ist wundervoll und macht mich richtig neugierig auf das Buch !

Ich muss es unbedingt lesen !