Rezension

Im Horror der Ehe

Das Bild - Stephen King

Das Bild
von Stephen King

Bewertet mit 4 Sternen

Rosie sitzt mehr als 14 Jahre in der Ehehölle und beschließt, dem ein Ende zu bereiten. Sie flieht vor ihrem Mann, der ein gewalttätiger, rachsüchtiger Cop ist und sofort die Verfolgung aufnimmt.

„Das Bild“ ist ein Roman von Stephen King, in dem er wiederholt beweist, dass der wahre Horror in der Realität zuhause ist. 

Rosie Daniels beschließt von einem Tag auf den anderen, ein neues Leben anzufangen. Sie verlässt ihren Mann, wobei hier eindeutig von einer Flucht zu sprechen ist. Denn sie erkennt, dass sie in dieser Beziehung niemals mit dem Leben davon kommen wird, wenn sie das Ende nicht selbst in die Hand nimmt.

Am Anfang des Romans ist mir übel geworden. In einer Rückblende erfährt man aus Rosies Sicht, was sich in diesen 14 Jahren Ehe zugetragen hat, und ist beim bisher gewaltsamsten Höhepunkt dabei. Sie liegt in ihrem eigenen Blut, während sie ihr Mann eher wie einen Gegenstand statt als Mensch betrachtet. Stephen King hat diese Situation dermaßen intensiv beschrieben, dass sie mir auf den Magen geschlagen ist.

Der Autor vermittelt das Gefühl des Ausgeliefertseins, sodass es dem:der Leser:in in jede Pore dringt. Er veranschaulicht, wie sehr Frauen ihren Männern körperlich unterlegen sind und wie schmerzhaft eine Ehe sein kann, wenn es in die völlig falsche Richtung läuft.

Im Anschluss folgt ihre Flucht, welche nervenzerreißend spannend beschrieben ist. Ich habe mit Rosie gefühlt und mir ist die Angst in die Eingeweide gekrochen. 

Nach diesem spannend und Furcht einflößenden Auftakt entspannt sich die Geschichte. Es kommt zu einem freundlichen Intermezzo, bei dem Rosie das titelgebende Bild begegnet und eine wichtige Rolle bei den folgenden Ereignissen einnehmen wird. 

Indessen ist Rosies Mann Norman der Angetrauten auf der Spur. Vom Wahn getrieben kennt er keine Tabus, und malt sich aus, wie er ihr es vergelten wird, sobald er sie in die Hände bekommt.

Stephen King hat mit „Das Bild“ ein beachtliches Werk geschrieben. Thematisch widmet er sich der Ehehölle und zeigt, welche gewalttätigen Dramen sich hinter verschlossenen Türen ereignen können. Mit Rosie führt er dem:der Leser:In eine gebrochene Frau vor Augen, die unerwartet mutig wird, um sich zu befreien, und bereit ist, dafür alles in Kauf zu nehmen. 

Der Horror spiegelt sich in der Realität, die grausamer als fiktionale Übersinnlichkeit ist. Zwar spielen mysteriöse Elemente im Rahmen des Bilds in die Story hinein, jedoch wäre es auch ohne diesen Part, ein ordentlicher Thriller, der den:die Leser:In schmerzlich und spannend durch die Seiten treibt.

Weniger gefallen hat mir das Finale, obwohl es intelligent eingefädelt und ausgezeichnet beschrieben ist. King arbeitet mit einer kräftigen Symbolik, rutschte mir teilweise aber zu sehr ins Fantastische ab, was nicht vollends meinem Geschmack entspricht. Gleichermaßen spart er weder mit Blut noch mit Grausamkeit und zeigt dem:Der Leser:In, dass eine verdroschene Ehefrau trotz ihrer Erfahrungen eine imponierende Entwicklung durchmachen kann. 

Alles in allem ist Stephen Kings „Das Bild“ ein starkes Werk, welches auf höchstem Spannungsniveau beginnt, dann abflaut, am Ende anzieht und etwas ins Fantastische schwingt. Ich habe es gern gelesen, habe Rosies Angst und Schmerzen gespürt, und mich gewundert, warum es zu den eher unbekannteren Werken des Autors zählt.