Rezension

Im Los Angeles der Zukunft

Bluescreen - Dan Wells

Bluescreen
von Dan Wells

Bewertet mit 4 Sternen

Los Angeles, 2050. In dieser Zukunft sind wir Menschen durch ein Kopfimplantat 24 Stunden täglich online. Aber damit gehen etliche Gefahren einher, die man auf den ersten Blick gar nicht erkennen kann.

Dan Wells katapultiert den Leser in eine nahe Zukunft, die meiner Meinung nach gar nicht unrealistisch ist. In unseren Köpfen sind Djinnis implantiert. Mit diesen Geräten ist man rund um die Uhr online, aber so, dass die Realität mit dem Internet verschmilzt. Während man sich via Augenzwinkern ein Taxi ruft, blinkt eine Werbung für ein Restaurant in der Nähe auf, du siehst, wo die beste gerade Freundin ist, und sogar dein Haus erkennt am Djinni, dass du es wirklich bist.

Die Thematik der Online-Realität ist momentan hoch aktuell und viele Autoren greifen sie auf. Ich denke, dass Dan Wells bisher der realistischste Zukunftsentwurf gelungen ist, weil er das Internet mit der Wirklichkeit verschmelzen lässt.

Nur mit dem Beginn des Romans habe ich mir schwer getan. Man steht mitten in einer Action-Szene drin und versucht sich Orientierung zu verschaffen. Die handelnden Charaktere prasseln richtiggehend auf einen ein und ich fand es anfangs schwierig, mich zurecht zu finden. 

Hier lernt man gleich die Protagonistin Marisa kennen, die gerade um das Leben ihrer Freunde kämpft. Marisa ist - wie viele Amerikaner - mexikanischer Herkunft und strebt gemeinsam mit ihren Freunden eine Karriere in einem Online-Spiel an. Ich habe sie als waghalsiges Mädchen empfunden. Sie lehnt sich manchmal viel zu weit aus dem Fenster und sieht nicht, wo ihre Grenzen liegen. Aber gerade diese Charakterzüge sind essentiell, weil es ansonsten keine Geschichte zu erzählen gibt.

Während man durch Marisa die Zukunft 2050 kennenlernt, merkt man rasch, dass die Digitalisierung markante Schattenseiten hat. Die Arbeitslosigkeit ist enorm, weil Maschinen und Roboter viele Tätigkeiten übernommen haben, die daraus resultierende Armut steigert die Bandenkriminalität, wo hingegen gut situierte Familien dem realen und virtuellen Luxus frönen. 

Aber es gibt auch Gefahren, die über die gesellschaftlichen Nachteile hinaus gehen. Denn was passiert, wenn dein Djinni nicht arbeitet wie es soll und die Kontrolle übernimmt?

Hier setzen Marisa und ihre Freunde an und es entwickelt sich eine spannende Handlung, die über den üblichen dystopischen Rahmen hinaus mit kriminalistischen Elementen besticht. Mir hat besonders gut gefallen, dass diese Realität nicht aus der Luft gegriffen ist. Banden- und Drogenkriege sind in Los Angeles immer aktuell, dass die mexikanischen Einwanderer von heute, die Amerikaner von morgen sind, liegt auf der Hand, und dass wir uns vielleicht bald unser Smartphone implantieren lassen, mag ich gar nicht in Frage stellen.

Es gibt viele Actionszenen, Verschwörungen, im kleinen, gut durchdachten, Stil und Hintergründe, die mich am Ende tatsächlich überrascht haben. Für mich war „Bluescreen“ spannend zu lesen und ich denke, wer sich für das Los Angeles der Zukunft interessiert, sollte auf jeden Fall an diese neue Reihe wagen.

© NiWa