Rezension

Interessantes Sprachexperiment

Vom Ende an - Megan Hunter

Vom Ende an
von Megan Hunter

Bewertet mit 3 Sternen

„Was wir Anfang nennen, ist oft das Ende,
Und ein Ende machen heißt einen Anfang machen.
Am Ende brechen wir auf.
(T.S. Elliot, Vier Quartette)“
Mit diesem Zitat beginnt dieses Buch und das mag auch die zentrale Aussage sein. Festlegen möchte ich mich da nicht. Hier ist eigentlich alles offen.
In sehr eigenem, knappem und poetischem Erzählstil berichtet hier eine Frau von einer Katastrophe. Eine Flut hat ganz London überschwemmt gerade als sie ihren Sohn zur Welt gebracht hat. Sie wird zusammen mit ihrer Familie evakuiert. Offensichtlich sind weite Teile des Landes unbewohnbar. Es klingt nach einer Sintflut, ein Eindruck, den eingestreute Zitate aus der Bibel und anderen mythologischen Schriften unterstreichen. 

Was genau wo passiert erfährt man hier nicht. Man liest ihre Gedanken, Impressionen ihrer Situation, manchmal geradezu stichwortartig, gelegentlich auch kryptisch.
Es ist interessant und beeindruckend. Eine junge Mutter lernt ihr Kind kennen, ein neues Leben beginnt, während um sie herum alles zusammenbricht. Auch während der Flucht liegt ihr Focus hauptsächlich auf ihrem kleinen Sohn. Viele schreckliche Begebenheiten nimmt sie zwar wahr, erschüttern sie aber wohl nicht sehr, vielleicht blendet sie sie auch aus. Ein großer Teil des Dramas steht hier zwischen den Zeilen. 
Man kann das anregend finden, mir war es allerdings oft zu sparsam. Dieser kunstvolle Berichtsstil lebt von der Lücke, transportiert Liebe und Bewunderung für ihr Kind und auch gelegentliche Sorge um die Zukunft. Eine derart entbehrungsreiche und leidvolle Situation sollte aber auch zu Existenzangst, Verzweiflung und Entsetzen führen, wovon hier kaum etwas zu spüren ist. Fast meint man, die Protagonistin lässt sich gleichmütig durch die Katastrophe treiben. Oft bleibt auch die Motivation zur ein oder anderen Wendung komplett im Dunklen.

Dieses Buch ist ein wirklich interessantes Sprachexperiment. Es liest sich leicht, die Seiten fliegen dahin und man staunt, was man alles erfahren kann, ohne dass es wirklich gesagt wurde. Originelle neue Wortschöpfungen machen Spaß. Insgesamt war es mir aber doch zu minimalistisch. 
Am Ende denkt man: Interessant, aber war das alles? Irgendwas fehlt, entweder eine originelle Überraschung am Schluss oder es hätte mich mehr berühren müssen. Das mag mein persönliches Problem mit dem Buch sein, aber dies ist ja auch meine persönliche Bewertung.