Rezension

Italienkrankheit und Eurowaisen

Wenn ich wiederkomme -

Wenn ich wiederkomme
von Marco Balzano

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Wenn ich wiederkomme", so das Versprechen der rumänischen Mutter im gleichnamigen Roman von Marco Balzano, "dann wird alles besser".
Daniela sieht keinen anderen Ausweg, als heimlich nachts abzuhauen. Sie verlässt Heimat und Familie, um in Italien Geld zu verdienen, damit ihre Kinder eine gute Ausbildung bekommen und das unfertige Häuschen zuende gebaut werden kann. Sie hat sich nicht verabschiedet, weil sie Angst vor ihrer eigenen Courage hat.

Daniela arbeitet schwarz als Pflegerin in Privathaushalten. Zunächst ist es auch die Hoffnung, dass sie nur ein Jahr durchhalten muss, um alle finanziellen Sorgen zu tilgen, doch schon bald merkt sie, dass diese Rechnung nicht aufgeht. Die Italienkrankheit, Depression, macht sich bei Daniela breit. Zerrissen zwischen schlechten Gewissen und dem Pflichtgefühl "es allein schaffen zu müssen", merkt sie nicht, wie ihre beiden Kinder in der Heimat unter der Trennung leiden.

Ihr Sohn ist gerade einmal zwölf, als Daniela geht, aber in vier Jahren Abwesenheit der Mutter driftet er nach und nach ab, in seine eigene Welt, die aus materiellen Forderungen an die Mutter, Schulschwänzen und riskanten Manövern besteht. Die größere Schwester, die für ihn die Verantwortung tragen soll, ist damit überfordert und distanziert sich innerlich von ihren Aufgaben, die sie scheinbar noch erfüllt.

Und dann geschieht das Unglück. Danielas Jüngster baut einen schweren Unfall und fällt ins Koma. Die ans Krankenbett herbeigeeilte Mutter hütet nun ununterbrochen den tiefen Schlaf des Sohnes und erzählt ihm von ihren Erlebnissen und diversen Jobs in Italien.

Der Roman wird von der Troika, Sohn, Mutter und Tochter getragen, die in ihren Abschnitten ihre Sicht der Dinge darlegen und das ganze Ausmaß einer dysfunktionalen Familie (der Vater verließ kurz nach Daniela die Familie) offenbaren. Insbesondere bei den Schilderungen der Mutter konnte sich Balzano so manches Klischee nicht verkneifen und will doch den Fokus auf das Prekariat der Migrationsarbeiterinnen in Italien gelenkt wissen. Er will aufzeigen, anklagen und wiedergutmachen.

Ich glaube jedoch, dass dieser Roman nicht der geeignete Weg dazu ist. Wer die Hilfeleistung einer ausländischen Kraft (bei uns in Deutschland sind es wohl hauptsächlich die Polen) in Anspruch nimmt, weiß sehr genau, welchen Bedingungen diese Menschen ausgesetzt sind. Sie haben sie selbst geschaffen. Ich setzte voraus, dass dies nicht mit böser Absicht geschieht, sind es doch die eigenen Angehörigen, die der Obhut bedürfen, aber der Spielraum für anderweitige Lösungen ist begrenzt. Es ist ein tiefliegenderes Problem unserer Gesellschaft, das mit dieser Art Betroffenheitsliteratur den Finger in die Wunde legt, aber leider keinen Fahrplan für eine menschlichere Zukunft beilegt.

Sollte dieser Anspruch nicht an diesen Roman gestellt werden, so hätte das Schicksal der Eurowaisen (den verlassenen Kindern) doch ein wenig mehr Tiefgang gutgetan. So aber bleibt die Betrachtung oberflächlich, mit viel Gefühlsduselei, ohne männlichen Gegenpart, aber wenigstens mit, wenn auch zwiespältigem, Happy End.