Jeder lebt auf seine Weise
Bewertet mit 5 Sternen
Fatma Aydemir, 1986 in Karlsruhe geboren, hat einen sehr intensiven Roman geschrieben. Sie erzählt in sechs Kapiteln die Geschichte jedes einzelnen Familienmitglieds. Dabei fließen Lebensgewohnheiten aus beiden Kulturen ein, auch ein paar Klischees. Verletzungen werden ebenso wenig ausgespart wie die Liebe zueinander.
„Lieben ist immer auch Hadern, immer eine Sehnsucht nach mehr, eine Kränkung darüber, dass nichts perfekt sein kann. Dass man nie einfach zufrieden sein kann damit, wie die Dinge sind“, ist auf Seite 116 das Resümee der ältesten Tochter Sevda, die sich mühsam einen Platz im Leben erkämpft hat, nachdem sie erst viel später als alle anderen nach Deutschland geholt wurde. Ohne Schulbildung setzt sie sich durch, erzieht ihre beiden Kinder allein. Etwas, was die Eltern so gar nicht verstehen können. Ganz anders als Peri, die in Frankfurt studiert und dort wie ihre deutschen Kommilitoninnen lebt. Da sie sich mit ihrem kleinen Bruder gut versteht, spielt sie jedes zweite Wochenende zu Hause das brave Mädchen; während der große Bruder Hakan an seiner Unzuverlässigkeit zu scheitern droht.
Peri ist meinen Augen die blasseste Gestalt, während Sevda, die Kämpferin mich am meisten beeindruckt hat. Jedes einzelne Familienmitglied hat schon vor dem Tod des Vaters schwere Verluste zu verkraften; auch Emine, die Mutter, die als letzte zu Wort kommt und ein hartes Familiengeheimnis lüftet.
Wer in dieses Buch eintaucht, wird so schnell nicht wieder auftauchen. Denn es geht um mehr, als Familienzusammenhalt und Einzelschicksale. Jeder steht für sich und ist trotzdem mit den anderen verbunden. Das zeigt sich daran, wie jeder auf seine Weise um den Vater trauert, der mehr gearbeitet hat, als sich in die Familie einzubringen.