Rezension

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Kathryn Stocketts bewegender Debütroman ist nicht nur literarisch ein Glanzstück!

Gute Geister - Kathryn Stockett

Gute Geister
von Kathryn Stockett

Bewertet mit 5 Sternen

Eine Kleinstadt im amerikanischen Mississippi, in der nie etwas Unvorhergesehenes passiert ist, wird zu Beginn der 1960er Jahre unversehens zum Schauplatz einer kleinen Sensation. Denn ausgerechnet hier wird ein Buch verfasst, das schwarzen Hausmädchen eine Stimme gibt. Schwarzen Hausmädchen, die den weißen Leserinnen des skandalösen Romans gut bekannt vorkommen mögen – schließlich sind es ihre eigenen.

 

Es ist kaum zu glauben, wie hoch die Wellen eines Erstlingswerks schlagen können, obwohl Themen wie Sex, Mord und Drogen darin überhaupt keine Rolle spielen. Der Roman von Kathryn Stockett kommt ganz ohne wilde, hemmungslose und reißerische Szenen aus, braucht keinen Paukenschlag, der mit einem einzigen Knall aufrüttelt. Vielmehr ist er ein kleiner Fluss, der sich emsig und zielstrebig seinen Weg mitten in das Herz der Leserin und des Lesers bahnt, um sie alle kurzerhand in seinen Bann zu ziehen.

Dies gelingt der amerikanischen Autorin mit drei Hauptfiguren, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die auf ihre ganz eigene, besondere Art verzaubern. Eugenia „Skeeter“ Phelan ist jung, hat studiert und will nichts lieber tun als schreiben. Und doch: Obwohl sie gerade von der Uni kommt und ihr eigentlich alle Türen offen stehen sollten, bleibt ihr nichts anderes übrig, als wieder bei ihren Eltern einzuziehen. Denn sie ist eine Frau, und von Frauen wird in Jackson, Mississippi, erwartet, zu Hause zu bleiben und Kinder zu bekommen. Sie lernt Aibileen, das Hausmädchen ihrer Freundin Elizabeth, kennen und möchte von ihr erfahren, wie das Leben als afroamerikanische Angestellte in einem Haus voller Weiße ist. Wie man Kinder erziehen kann, die nicht die eigenen sind, immer in dem Wissen, dass diese wiederum schwarze Hausmädchen einstellen, die als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Aibileen kann eine Menge davon erzählen, schließlich zieht sie bereits das siebzehnte Kind groß. Aber das Vorhaben der beiden ist gefährlich, und die Geschichte einer Einzigen ist dem Verlag nicht genug. Also nehmen sie noch Aibileens Freundin Minny ins Vertrauen, die kein Blatt vor den Mund nimmt und deshalb ständig Probleme mit ihren Arbeitgeberinnen bekommt.

Diese drei Frauen bilden das Herzstück des Romans, und um das noch hervorzuheben lässt Kathryn Stockett das Geschehen aus den unterschiedlichen Blickwinkeln jeder einzelnen erzählen. Dabei spielt sie bewusst mit der Sprache, lässt die Hausmädchen mit ihren eigenen Worten sprechen, in ihrem persönlichen Dialekt, und stellt ihnen die studierte Skeeter gegenüber, die sich ganz anders auszudrücken vermag. Obwohl die Übersetzung ins Deutsche sehr gelungen ist, verliert sie im Vergleich zum amerikanischen Original hinsichtlich der Sprache doch ein wenig an Atmosphäre. Der Übersetzerin Cornelia Holfelder von der Tann gelingt es aber, mit scheinbarer Leichtigkeit den feinen Sinn für die Figuren, für deren Eigenheiten und Besonderheiten ins Deutsche zu übertragen, sodass die Leserinnen und Leser bereits von Beginn an ein Gefühl für die jeweilige fiktive Erzählerin bekommen.

 

Kathryn Stockett weiß, wovon sie in ihrem Erstlingswerk spricht. 1969 in der Kleinstadt Jackson geboren, wurde sie selbst von einer afroamerikanischen Frau aufgezogen, da ihre Mutter die Familie verlassen hatte. Dies gab den Anstoß zu ihrem ehrlichen, aufrüttelnden Buch, mit dem sie ein Stück neuerer US-amerikanischer Geschichte aufarbeitet. In Gestalt von Aibileen und Minny gibt sie ihrer Erzieherin und den Frauen einer ganzen Generation eine Stimme, verweist auf eine Vergangenheit, die für so viele selbstverständlich ist, über die bislang aber kaum jemand so offen gesprochen hat. Die drei Hauptfiguren zeigen einen Mut, den nur wenige von uns besitzen, den wir aber alle nur bewundern können. Sie setzen sich über bestehende gesellschaftliche Grenzen hinweg, nehmen auf ihre ganz eigene Art den Kampf gegen Tabus auf – und das immer mit viel Humor und Gefühl. Es ist ein Buch über Rassismus in Amerika, aber vor allem auch über Freundschaft und den Traum, Dinge zu verändern.

Der Autorin ist es gelungen, mit dieser einzigartigen Geschichte dreier ungewöhnlicher Frauen nicht nur die Leserinnen und Leser in ihrer Heimat zu begeistern, sondern auch diejenigen an vielen anderen Orten der Welt. Das 2009 unter dem Titel „The Help“ erschienene Buch wurde mittlerweile in mehr als 35 Ländern veröffentlicht und hat es zudem auf sämtliche internationale Kinoleinwände geschafft. Nachdem ihr Debütroman die amerikanischen Bestsellerlisten gestürmt hatte, stand nämlich bereits Hollywood vor der Tür und bat um die Filmrechte. Gerade einmal zwei Jahre später durfte das Ergebnis bewundert werden, und wie sehr das Publikum und die Kritiker von dieser Literaturverfilmung begeistert waren, zeigen die zahlreichen Auszeichnungen und Nominierungen die „The Help“ erhalten hat, darunter den begehrten Oscar für die Minny-Darstellerin Octavia Spencer.

„Gute Geister“ ist für Leserinnen und Leser geeignet, die heitere und gelassene, aber zugleich ernsthafte und nachdenkliche Geschichten mögen. Die lachen und gleichzeitig weinen können und die keine Angst haben, mit Vorurteilen konfrontiert zu werden, die auch heute immer noch bestehen.

Kommentare

Naibenak kommentierte am 20. Mai 2014 um 09:33

Tolle Rezension!!! Ich liebe Buch & Film!!! Absolut großartig, warmherzig und aufrüttelnd! :)