Rezension

Kein 0815-Krimi

Leopard - Jo Nesbø

Leopard
von Jo Nesbø

Hongkong: Im Dunst der Garküchen und Drogenhöhlen dämmert einsam ein Mann vor sich hin. Kommissar Harry Hole ist am Ende, er hat alle Brücken hinter sich abgebrochen, die chinesische Mafia ist ihm auf den Fersen. Gleichzeitig erschüttert Oslo eine Serie grotesk-grausamer Morde. Die junge Kommissarin Kaja schafft es schließlich, Harry zurückzuholen. Schon bald wird er immer tiefer in den Fall hineingezogen. Der Täter erweist sich als äußerst unberechenbar und intelligent. Er arbeitet mit einem perfiden Mordwerkzeug, das lautlos und quälend langsam tötet. Die Spuren führen Harry von einer einsamen Hütte im norwegischen Hochgebirge bis nach Ruanda. Als er dem Killer gegenübersteht,muss er eine übermenschliche Entscheidung treffen.

Harry Hole ist zurück und diesmal hat er es mit einem Killer zu tun, der sich leise wie ein Leopard an seine Opfer anschleichen kann. Harry ist nach dem letzten Fall nach Hongkong geflüchtet um dort alles zu vergessen. In Norwegen werden nacheinander zwei Frauen auf brutale Weise umgebracht und dies führt dazu, dass Harry von seiner Kollegin Kaja Sollness zurückgeholt wird. Aber nicht nur der neue Fall ist ausschlaggebend für seine Rückkehr. Harrys Vater Olav liegt im Sterben. Da ich selber nur den Vorgängerteil des Buches kenne und nicht die ganze Reihe, weiß ich nicht, inwieweit Harrys Familiengeschichte aufgearbeitet wurde. Aber keine Bange, auch Leser, die bisher kein Buch über Harry Hole gelesen haben, werden nicht viel Mühe haben der Geschichte folgen zu können. Nesbø schafft es erfahrene Leser und auch Neueinsteiger gleichermaßen zu fesseln. Durch seinen charismatischen und unberechenbaren Hauptcharakter Harry bleibt die Geschichte konstant spannend. Auch die Nebencharaktere sind wieder einmal gut ausgearbeitet. Ein neuer interessanter Charakter ist Harrys Kollegin Kaja Sollness. Sie bringt einen gewissen frischen Wind in das Geschehen und wächst auch dem Leser, auch durch ihre manchmal doch etwas naive Art, ans Herz. Auch seine alte Kollegin aus dem Buch „Schneemann“ ist wieder mit von der Partie. Katrine Bratt erholt sich in einer Psychiatrischen Anstalt von dem letzten Fall und von ihrer Vergangenheit, das hindert sie aber nicht Harry von dort unterstützend unter die Arme zu greifen. Auch kommt der „Schneemann“ wieder vor und gibt Harry entscheidende Tipps. Diese ganzen Begebenheiten machen das Buch familiärer für den Leser. Es treten zwar auch eine Vielzahl von neuen Gesichtern auf, aber durch die altbekannten Gesichter bekommt das Buch für Kenner der Reihe auch wieder seinen Reiz.
Interessant ist auf jeden Fall die Mordwaffe, die der Mörder immer wieder benutzt. Dieser Mörder geht nicht mit einer Axt, einem Messer oder sonst irgendwas Alltäglichem zum Werk, nein, er benutzt einen sogenannten Leopoldsapfel. Eine kleine Kugel mit vielen kleinen winzigen Öffnungen aus denen scharfe Spitzen kommen können, so dass man, wenn man dieses Mordwerkzeug im Mund hat, von innen aufgespießt wird. Hört sich brutal an und ist auch brutal, und was man machen muss, um dieses Mordwerkzeug wieder aus dem Mund zu bekommen, zeigt Nesbø auch eindrucksvoll auf.
Noch einen besonderen Reiz des Buches machen die vielen Ortswechsel aus. Harry wird von Hongkong zurück nach Norwegen geholt, von dort geht es in den Kongo, danach wieder Norwegen, dann werden in Norwegen die Ortschaften gewechselt und nach einem Abstecher in eine andere Gegend Norwegens geht es erneut in den Kongo und wieder zurück. Nesbø schafft es für jeden Ort die richtige Atmosphäre zu schaffen. In Hongkong hat man das Gefühl die Garküchen fast riechen zu können und in Norwegen friert man mit den Protagonisten, die bis zum Hals oder darüber im Schnee stecken.
Das Ende des Buches ist, wie schon bei seinem Vorgänger, sehr actiongeladen und auch hier mutiert Harry wieder zu einer Art „Super-Harry“. Natürlich sind furiose Enden gerne gesehen und fesseln den Leser und lassen einen bleibenden Eindruck zurück, aber hier wär mal wieder weniger mehr gewesen. Das Ende tut dem Gesamteindruck des Buches keinen Einbruch. Auch ist es nicht nur actiongeladen, sondern auch in einer Weise „bittersüß“. Es bleibt offen, was mit Harry weiter geschehen wird und ob er wieder seinen Weg ins alte Leben zurückfindet.