Rezension

Kein leichter Sommerroman

Wir träumten jeden Sommer - Dagmara Dominczyk

Wir träumten jeden Sommer
von Dagmara Dominczyk

Bewertet mit 4 Sternen

~~Drei junge Mädchen in Kielce, einer Stadt im südöstlichen Polen. Drei Mädchen, die eigentlich sehr verschieden sind und im Sommer 1989 doch Freundinnen werden. Da ist Anna, Tochter aus sehr politischem Haus, der Vater war aktiv bei der Solidarnosc, der polnischen Gewerkschaftsbewegung und bereits 1983 emigrierten sie in die USA, fanden eine neue Heimat in New York. Eine sehr brüchige Heimat, denn die Eltern müssen sich mit minderqualifizierten Arbeiten durchschlagen, immer wieder schlägt die Stärke des bewunderten Vaters in Wut und Gewalt um. Anna fühlt sich nicht richtig dazugehörig, sehnt sich nach Polen, wo sie nach dem Einreißen des Eisernen Vorhangs immer wieder ihre Sommer bei der Großmutter verbringt. Dort wird die "Amerykanka" bewundert und umschwärmt. Justyna lebt dort unter eher schwierigen sozialen Verhältnissen, ist vorlaut, selbstbewusst, vulgär. Kamila hat sehr mit ihrem Selbstbewusstsein zu kämpfen, fühlt sich ewig zu dick, leidet unter Neurodermitis. Was die drei Mädchen zueinander zieht ist nicht wirklich klar, aber so ist es manchmal, sie werden Freundinnen. Kennen lernt sie der Leser allerdings zunächst als junge Frauen im Jahr 2002. Alle drei stehen mehr oder weniger vor den Scherben ihrer Leben. Anna, die inzwischen eine erfolgreiche Schauspielerin geworden ist, steht vor einer beruflichen Krise, aber auch ihre Beziehung zu Ben droht nach einer Abtreibung zu zerbrechen, Kamila findet heraus dass ihr Ehemann eine sexuelle Beziehung zu einem alten Jugendfreund hat. Als Justynas Mann ermordet wird, machen sich beide nach Kielce auf, um der alten Freundin beizustehen, aber auch, um in ihrem Leben etwas zu ändern. Zwischen die Passagen aus dem Jahr 2002 werden Rückblenden in die Jahre 1989 bis 1998 einmontiert, die den Lebensweg der drei Freundinnen jeweils aus ihren unterschiedlichen Perspektiven schildern. Das ist sehr geschickt und fließend gemacht. Die Charaktere werden plastisch und sehr authentisch geschildert, ohne große Ortsbeschreibungen gelingen der Autorin sehr atmosphärische Szenen. Lediglich die vielen polnischen Begriffe stören und sind nicht immer zwingend, hätten zumindest ein Glossar erfordert. Das Buch wird als leichter Sommerroman vermarktet und dürfte damit viele Käuferinnen enttäuschen. Zwar trafen sich die Mädchen immer in den Sommermonaten, aber eine sommerlich-leichte Stimmung mag nicht aufkommen. Zu unglücklich und unzufrieden sind bereits die Heranwachsenden mit ihrem Leben, zu gescheitert die Sehnsüchte und Lebensentwürfe der jungen Frauen. Zum Schluss gehen sie, wie Anna es ausdrückt "Zurück auf Start", übrigens diesmal in einem winterlichen, verschneiten Kielce. Hoffen wir, dass ihnen der Neuanfang gelingen wird.