Rezension

Liebe hat Macht, Glaube auch

Ismaels Orangen
von Claire Hajaj

Bewertet mit 5 Sternen

"Ismaels Orangen" ist ein sehr bewegender Roman, der angefüllt ist mit Liebe, die aber letztendlich fast schon in Hass umschlägt. Es zeigt sich, dass unsere Prägungen die wir seit unserer Kindheit tief in uns vergraben meinten, im Erwachsenenalter doch einen großen Teil unseres Denken und Handeln mitbestimmen werden. Hier wird deutlich, dass zwei unterschiedliche Glaubensrichtungen hindern eine Ehe zu führen, die nur durch Liebe bestimmt wird. Salim entwickelt meiner Meinung nach eine echte Psychose, die ihn alles, was zählt vergessen lässt und nur durch die Tränen und Worte seiner Schwester ins Nachdenken kommt. Was zählt wirklich? Ist es sein Traum, das Orangenhaus seiner Kindheit wieder sein Eigen nennen zu können? Ist es die Liebe zu seiner Frau und seinen Kindern? Erst als er alles zu verlieren beginnt, bekommt Salim eine neue Gesinnung, die aber meiner Meinung nach viel zu spät eingesetzt hat.

Ein großartiger Schreibstil macht diesen Roman zu einem echten LeseHighlight, denn es erweckt auf der einen Seite tiefe Sehnsüchte und auf der anderen Seite berichtet es schonungslos von einer Liebe, die brennend vor Leidenschaft erwacht und leider erkaltet, durch Erlebnisse in Gegenwart und Vergangenheit. Eine gemeinsame Zukunft erfordert Umdenken eines sturen Arabers, der sich durch Familienbande blenden lässt. Salim verliert sich selbst in seinen Träumen und erntet einen Scherbenhaufen. Für das Lesen dieses faszinierenden Buches, muss man Zeit einplanen, denn es lässt sich nicht einfach so weglesen, sondern forderte mich als Leserin regelrecht heraus mich genügend zu konzentrieren. Die Worte und Begebenheiten ziehen nicht spurlos an dem Leser / der Leserin vorbei. Es bleibt eine Menge Raum zum Nachdenken und Überdenken des eigenen Lebens. Wo setze ich meine Prioritäten? Bin ich auch in meiner Ehe und Mutterschaft lieblos und oberflächlich geworden, da ich meine Träume verwirklichen möchte?

"Ismaels Orangen" führt uns in eine andere Welt ein, in der Glauben die Überhand gewinnt. Salim hat in meinen Augen keinen Orden verdient, denn sein mitunter grobes, liebloses Verhalten führte nicht dazu, dass ich ihm Sympathiepunkte entgegenbringen konnte. Bei der Person der Jude / Judith war es anders, denn mit ihr konnte ich mich gut identifizieren und ich erkannte ihre innere Not und ihre Qualen. Als Mutter ist sie sehr darauf bedacht, ihren Kindern einen gewissen Schutz zu bieten, auch wenn dieses einen Entfremdung der Eheleute beinhaltet.

Gerne möchte ich eine Leseempfehlung aussprechen für einen Roman, der mich zutiefst bewegt hat. "Ismaels Orangen" ist eindeutig kein oberflächliches Buch, welches ein wichtiges Thema beinhaltet und auch unbedingt zwischen den Zeilen gelesen werden sollte. Mich hinterlässt es mit einem leicht bedrückenden Gefühl, aber durch das recht offene Ende auch voller Hoffnung. Manchmal ist es möglich sich trotz widriger Umstände wieder anzunähern und versöhnlich zu zeigen. Alles andere hätte mich unzufrieden zurückgelassen. So konnte ich das Buch mit einem Lächeln zugeklappen und die Story für mich weiterspinnen