Rezension

Manchmal braucht es eine zweite Chance

Die Liebe ist ein schlechter Verlierer - Katie Marsh

Die Liebe ist ein schlechter Verlierer
von Katie Marsh

Bewertet mit 4 Sternen

Hannah ist am Küchentisch über der Korrektur einer Klassenarbeit eingeschlafen. Es ist 02.00 Uhr in der Nacht als sie wach wird und sich ins Schlafzimmer schleppt, in dem ihr Mann Tom schon seit Stunden schläft. Mit dem Gedanken „Morgen wird alles besser, morgen sage ich ihm endlich, dass ich ihn verlassen werde“, legt sie sich neben Tom und schläft ein. Kurz nach 05.00 Uhr wird Hannah jedoch schon wieder wach. Wütend darüber, dass Tom es schon wieder einmal geschafft hat, sie mit ihrem Schnarchen zu wecken, blafft sie ihren Mann an. Komischerweise liegt Tom jetzt aber neben dem Bett und nicht darin und ihr erster Gedanke ist, dass er sich mal wieder mit Whisky zugedröhnt hat und aus dem Bett gefallen ist. Erst als sie realisiert, dass Tom nicht lallt sondern ihr mit den Worten „Kannni … Hilllllmiiiiiir“ klar machen möchte, dass etwas ganz und gar nicht stimmt, springt Hannah hellwach aus dem Bett und ruft den Notarztwagen.

Tom ist 35 Jahre alt und hatte einen Schlaganfall.

Nachdem alle Untersuchungen abgeschlossen sind und sich herauskristallisiert hat, dass Tom sein linkes Bein und seinen linken Arm nicht benutzen kann, entscheidet Hannah sich gegen ihren Traum und für ihren Mann.

Die Autorin Katie Marsh greift in ihrem Buch ein Thema auf, das jeden von uns Heute oder Morgen (be)treffen kann. Ein Schlaganfall ist leider keine Krankheit des Alters mehr, es trifft vermehrt auch junge Leute. So wie Tom, der mit 35 mitten im Leben steht aber aufgrund der Belastung, die seine Arbeit mit sich bringt, enorm unter Druck steht.

Tom arbeitet als Rechtsanwalt in einer Kanzlei und sein Chef bürdet ihm jede Menge Arbeit auf. Manchmal sieht Tom keine andere Möglichkeit, als diese Arbeit in einer Nachtschicht zu erledigen. Der Druck, der auf ihm lastet und eine allgemeine Unzufriedenheit, sorgen dafür, dass er seinen Unmut immer öfter an Hannah auslässt. Er schlägt sie nicht, keine Angst, aber seine verbalen Entgleisungen reichen aus, dass Hannah sich dazu entschließt, ihn zu verlassen und ihren Traum zu leben.

Hannah arbeitet als Lehrerin. Eigentlich ist das ihr Traumberuf. Aber sie wird von ihrer Chefin regelrecht gemobbt. Genau wie Tom, bekommt auch Hannah Arbeiten aufgehalst, die eigentlich zum Aufgabenbereich ihrer Vorgesetzten gehören. Mit den entsprechenden Bemerkungen garniert, wie „Du weißt, ich zähle auf dich, Hannah. Kann ich mich darauf verlassen, dass du mir hilfst?“ bekommt Margret Hannah immer wieder dazu, dass sie diese Arbeiten erledigt. Zu Hause mit Tom läuft es immer schlechter und so beschließt Hannah, sich von Tom zu trennen und sich ihren Traum von einem Berufsjahr im Ausland zu erfüllen.

Leider ist das Leben kein Wunschkonzert und der Schlaganfall von Tom ändert alles, aber wirklich ALLES!

Die berührende Geschichte von Hannah und Tom wird aus 2 Gesichtspunkten geschildert. Mit Hannah erlebt der Leser die aktuellen Geschehnisse ab dem Schlaganfall und mit Tom gehen wir zurück in die Vergangenheit, genau an den Tag, als Hannah und Tom sich kennenlernen. Zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit wird nach jedem Kapitel abgewechselt, bis im letzten Drittel des Buches dann alles nahtlos zusammenläuft. Die Geschichte wird von einer Dritten Person erzählt.

Hannah ist mir von Beginn an sympathisch und da die Autorin Tom gleich zu Anfang des Buches in eine beschissene Situation gesteckt hat, kann man nichts anderes als Mitleid mit ihm haben. Sein Verhalten gegenüber Hannah erfährt man erst nach und nach, aber aufgrund der derzeitigen Situation kann man Tom gar nicht böse dafür sein.

Mit viel Gefühl beschreibt Katie Marsh die nun auftretenden Probleme. Hannah liebt Tom nicht mehr, aber sie muss ihm in allen Belangen des täglichen Lebens zur Hand gehen. Er kann nichts ohne ihre Hilfe tun. Und obwohl sie ihm nie etwas recht machen kann, behält sie hier stoische Ruhe und Tapferkeit. Der Leser wird Zeuge des peinlichen Moments, als Hannah Tom nach dem Duschen die Shorts anzieht und er dabei eine Erektion bekommt aber es gibt auch die schönen Momente, in denen die Beiden es schaffen, sich über eine Kleinigkeit zu freuen oder auch darüber lachen zu können.

Neben der Rund-um-die-Uhr-Pflege von Tom und ihrer Arbeit, die ihr schon lange keinen Spaß mehr macht, muss sich Hannah auch noch mit Toms Schwester Julie rumschlagen.

Die Nebenprotagonisten wie Steph, die beste Freundin von Hannah oder Nick, der beste Freund von Tom, werden gut und glaubhaft beschrieben. Einzig die Tatsache, dass alle Protagonisten zu jeder sich bietenden Gelegenheit saufen, hat der Geschichte aus meiner Sicht etwas vom Charme genommen.

Natürlich wünscht man niemandem eine Krankheit oder einen Schlaganfall, aber die Geschichte von Hannah und Tom zeigt sehr schön, dass am Scheitern einer Ehe immer beide Partner beteiligt sind. Manchmal braucht es einen Tritt in den Hintern, damit man sich wieder auf die wichtigen Dinge im Leben besinnt und man sucht (und hoffentlich wiederfindet), weswegen man seinen Partner einstmals ausgewählt hat. Und wenn die Ehe/Partnerschaft im Gleichgewicht ist, dann muss vielleicht auch niemand auf seinen Traum verzichten.