Rezension

Mankell hat einen guten Blick für Charaktere

Erinnerung an einen schmutzigen Engel - Henning Mankell

Erinnerung an einen schmutzigen Engel
von Henning Mankell

Bewertet mit 4 Sternen

Henning Mankell hat wieder einer seiner außergewöhnlichen „Afrikaromane“ verfasst. Da ich seine Krimireihe selbst nie gelesen habe, kann ich diesen Roman auch nicht mit seiner bekannten Wallanderreihe vergleichen.

Aber nicht in Afrika beginnt der Roman, sondern im kalten Schweden. Hanna wächst mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern zu Beginn des 20.Jh. im ländlichen armen Schweden auf. Nicht immer gibt es genug zu essen, nach einer schlechten Ernte und mit der Ankündigung eines weiteren harten Winters beschließt Hannas Mutter, dass sie in die Stadt gehen soll und da ihr Glück versuchen soll, immerhin ist Hanna schon 17 Jahre und damit fast erwachsen. Auch wenn Hanna sich wehrt ihr Zuhause aufzugeben fährt sie schließlich mit dem Bekannten Forsmann nach Sundsvall, dort soll sie bei Verwandten unterkommen. Diese Verwandte wohnen aber nicht mehr dort, weshalb sie bei Forsmann und seiner Familie bleibt und bei ihnen arbeitet. Gerade als Hanna langsam ankommt und sich heimisch fühlt, entscheidet Forsmann, dass sie auf einem Handelsschiff als Köchin anfangen soll. Ein gewaltiger Schritt für Hanna, die bisher nur ihr Dorf und Sundsvall gesehen hat, soll nun bis nach Australien reisen, allein unter Männern. Auf dem Schiff kommt sie aber wider Erwarten gut zurecht. Sie verliebt sich sogar in den Steuermann Lundmark, heiratet ihn kurz darauf und verlebt einige glückliche Tage. Kurz darauf erkrankt und stirbt Lundmark. Hanna kann in ihrer Trauer nicht auf dem Schiff bleiben und versteckt sich im nächsten Hafen bis das Schiff ohne sie weiterfährt. Nun ist sie gestrandet im heutigen Mosambik. Durch Zufall nimmt sie sich ein Zimmer in einem Bordell was sie als Hotel verkennt.

Die Lebensgeschichte von Hanna geht so abenteuerlich weiter, so dass sie nicht nur reiche Witwe wird, sondern auch zu einer Bordellbesitzerin. Hanna muss schnell erwachsen werden, zu schnell, wie man oft an ihrer anfänglichen Naivität merkt. Aber ich war überrascht wie selbständig sie schließlich wird und sich selbst eine unabhängige Meinung über das Leben in der portugiesischen Kolonie bildet. Damit unterscheidet sie sich sehr von den anderen Europäern, die dort leben. Durch ihre Ängste und Vorurteile grenzen sie sich immer von der dortigen schwarzen Bevölkerung ab. Bekämpfen sie, hassen sie, aber brauchen sie auch. Diesen Konflikt zeigt Mankell großartig auf, nicht nur durch bestimmt Ereignisse, sondern durch viele kleine leise Töne, die auch Hanna immer mehr auffallen. Genauso unaufgeregt wie er das Leben mit seinen Höhen und Tiefen darstellt, ist auch die Sprache von Mankell, sehr klar, zum Teil sehr wenig Emotionen. Ich fand es sehr passend.

Auch wenn Hanna zu Beginn eine typische Frau ihrer Zeit ist, hat sie sich bis zum Ende des Romans zu einer herausragenden modernen Frau entwickelt. Diese Entwicklung zu beobachten war sehr großartig, auch wenn ich mir manchmal einen größeren Spannungsbogen gewünscht hätte. Es ist nicht mein Lieblingsafrikaroman von Mankell, aber sehr lesenswert, vor allem wegen seinem guten Blick für die Spannungen zwischen Kolonialisten und Einheimischen. Und das ist leider bis heute aktuell.