Rezension

Nicht sterben vs. sich nicht unterkriegen lassen

Die nicht sterben -

Die nicht sterben
von Dana Grigorcea

Bewertet mit 4 Sternen

Nach ihrem Kunststudium in Paris kehrt die Protagonistin des Romans an ihren Sehnsuchtsort B., dem Ort ihrer kindlichen Ferien, zurück, wo sie gemeinsam mit ihrer Tante Margot, die sie liebevoll Mamargot nennt, viele schöne Momente erlebt hat. Dort möchte sie Inspiration finden und in ihren Beruf als Malerin starten. Doch die Erinnerung an das schöne naturverbundene Leben in der Walachei erscheint ihr zunehmend verklärt. Wo ist die überschwängliche Unbeschwertheit von damals hin, als Mamargot jeden Sommer mit umfangreichem Hausstand in die Villa, ihr Feriendomizil, einzog und jeweils sämtlichen Kommunismus-Kitsch in den Keller verbannen lies?

Im postkommunistischen Zeitalter haben die sommerlichen Festivitäten und intellektuellen Zirkel mit ihren Lateiner-Sprüchen den früheren Charme verloren. Offensichtlich sind nur noch Alte vor Ort. Deren jüngere Anverwandten leben im Ausland und genießen das Leben, das ihnen ihr eigenes herunter gekommenes Land nicht bieten kann. Die Dagebliebenen haben mit Arbeitslosigkeit zu kämpfen, müssen sich bei einer neuen korrupten, alles an sich reißenden Elite anbiedern. Diese Unzulänglichkeiten im eigenen Land lassen die Protagonistin in eine Art depressive Antriebslosigkeit versinken, wo ihr allerlei krude Gedanken durch den Kopf schießen, unter anderem auch eine gewisse Sehnsucht nach einer starken, Ordnung schaffenden Hand.

Im Rahmen dieser Gedankenspiele übergibt Dana Grigorcea in voluminöser, extrem bildhafter Sprache die Probleme des gegenwärtigen Rumänien der historischen Figur Vlad III, Woiwode des Fürstentums Walachei, als strengem Richter. Der Unsterbliche soll jegliches Unrecht sühnen. Für mich war es eine mystische, zeitweise etwas gruselige Verwünschung der Korrupten und Habgierigen, gedanklich ausgelebt von unserer Hauptfigur als wollte sie ihnen entgegenrufen: „Soll dich doch Der Sohn des Drachen - der grausame Vlad - holen!“

Dana Grigorcea erzählt in einem stark malerischen Stil, zeichnet Orte, Stimmungen, Düfte sowie die Personen so präzise als würde man sich als Leser*in mitten im Geschehen befinden. Verstärkt wird diese Wirkung durch ihre direkte Ansprache der Leserschaft. So konnte ich nicht umhin, die gastfreundliche Mamargot in ihrem Überschwang ebenfalls zu mögen. Ich konnte sogar die Entwicklung des Woiwoden zum grausamen Herrscher nachvollziehen. Den historischen Ausflug der Autorin hierzu mochte ich sehr.

Insgesamt war ich angetan von der geschickten Verschränkung von Gesellschaftskritik und gruseliger Woiwodenrache, eine Erzählung, die es so im Mainstream nicht gibt. Das kreativ Neue daran hat mir Vergnügen bereitet.

Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.