Rezension

Schmunzelalarm

Der Boss - Moritz Netenjakob

Der Boss
von Moritz Netenjakob

Bewertet mit 5 Sternen

Ich war wirklich positiv überrascht, da der Autor zwar mit Klischees arbeitet, diese aber gekonnt karikiert.

Die ersten sieben Kapitel von "Der Boss" hatte ich flugs gelesen. Und ich war wirklich positiv überrascht, da der Autor zwar mit Klischees arbeitet, diese aber gekonnt karikiert.

Kurzum: 

In dem Buch geht es um eine deutsch - türkische Hochzeit. Netenjakob hat liebenswerte und originelle Figuren geschaffen - die Familie des Protagonisten etwa: Mutter und Vater freigeistige Intellektuelle mit Oma Berta im Schlepptau. Die Stoffeligkeit des Helden Daniel wird stets betont.

Die Familie Aylins zeichnet sich durch Warmmherzigkeit und einen Hang zum Kitsch ( etwa Nippes und Tüll ) aus. Bruder Cem ist schwul aber "eigentlich gibt es sowas bei den Türken nicht".

Die Dialoge sprühen nur so vor Esprit- zum Thema Atheisten: "Sind nämlich geisteskrank und brauchen Behandlung."- "Tja." -"Habe ich Mitleid"- "Immerhin" - "vielleicht muss man auch erschießen. Aber nur wenn nicht anders geht."

Netenjakob schildert quasi einen Clash der Kulturen, ohne dabei allzu wertend zu sein. Es fehlt der moralische Zeigefinger oder ein Besserwissertum; dies kann man dem Autor gar nicht hoch genug anrechnen. Bei der Lektüre musste ich oft schmunzeln, und über Patzer  wie "die Schreckensherrschaft der Sowjets in Jugoslawien"  (eine solche gab es nie, da es Ende der 1940 er Jahre zum Bruch kam, anders als mit der CSSR etwa)  kann man hinwegsehen. Das letzte Drittel des Buches schwächelt aber ein wenig - die Entwicklung war zu vorhersehbar. Mir waren es auch zu viele Verweise auf zeitgeistige Populärkultur ("Frauentausch") - ein Roman veraltet schnell, wenn derlei Rückgriffe geschehen.

Auch die Werbebranche wird auf's Korn genommen, ausserdem erhält der Leser die geballte Ladung Kölner Lokalkolorit. Dies muss man mögen. Der Roman ist die ideale Urlaubslektüre, nicht allzu tiefschürfend, aber lustig.