Rezension

Schockierender Psychothriller

EMOTION CACHING - Heike Vullriede

EMOTION CACHING
von Heike Vullriede

Bewertet mit 4 Sternen

Ich durfte dieses Buch im Rahmen einer Leserunde lesen und es hat mich nach dem Start nicht mehr losgelassen. 
Inhalt: 
Die Protagonistin Kim ist aufgrund des Verlustes ihres Vaters und der Gefühlskälte ihrer Mutter absolut emotionslos und versucht, starke Emotionen anderer Menschen auf Fotos und Videos einzufangen. Dazu denkt sie sich zusammen mit drei anderen Jugendlichen, die wie Kim ziellos im Leben stehen und keinen stützenden familiären background haben, Provokationen aus, die diese Emotionen hervorrufen sollen. Kim und ihre Begleiter gehen dabei sehr weit, und es kommt zu Todesfällen, weil moralische Grenzen einfach überschritten werden. Das Buch ist ein rasanter Psychothiller, der zunächst langsam und spielerisch beginnt. Selbst das von der Clique erdachte Spiel "Emotion caching" erscheint zwar grausam, aber noch gerade so im Rahmen dessen, was für den Leser nachvollziehbar ist. Im Verlauf der Handlung jedoch werden psychische Abgründe und familiäre Zerwürfnisse und die daraus resultierenden Handlungen der Cliquen-Mitglieder immer krasser und lassen den Leser einfach nur fassungslos weiterlesen bzw. am Ende schockiert zurück. 
Schreibstil: 
Das Buch liest sich sehr flüssig und ist absolut logisch aufgebaut. Interessant fand ich, dass die Sichtweise nicht nur die vier Hauptprotagonisten betrifft, sondern auch die Opfer einbezieht. Die Kürze der Sätze und die prägnanten und authentischen Dialoge unterstützen für mich den Thrill während des Lesens, dadurch gewinnt das Buch gleichzeitig Tempo. Die Autorin verliert sich nicht in langen Beschreibungen, Hintergrundinformationen werden geschickt und knapp an den passenden Stellen eingestreut. 
Charaktere: 
Die Hauptprotagonistin Kim steht im Fokus der Geschichte, sie ist deprimiert, kalt und emotionslos und für mich eindeutig eine Suchende. Die Informationen, die die Autorin zum Kim's Hintergrund gibt, unterstützen das Profil. Im Verlauf der Handlung treten die andere Cliquenmitglieder Benni, Nico und Lena ab und zu in den Vordergrund, auch zu ihnen bekommt man erschreckende Details aus ihrem Background zu erfahren. Fassungslosigkeit und Unverständnis ruft die Autorin durch die Handlungen und die Denkweise der vier Hauptfiguren hervor. Gut ausgearbeitet sind auch die Nebenfiguren aus Kims engerem Umfeld sowie die Opfer der vier Jugendlichen. 
Meine Meinung: 
Ich kam mir beim Lesen des Buches zeitweise selbst wie ein Voyeur vor, nicht in der Lage aufzuhören, obwohl die beschriebenen Taten abscheulich, unmoralisch, verabscheuungswürdig waren. Voyeurismus gehört zum Hauptthema des Buches und hat mich sehr beschäftigt. Wie weit darf Sensationslust gehen, wie schlimm ist YouTube und andere Online-Netzwerke in diesem Zusammenhang, was bringt Menschen dazu, sich am Unglück (hier dargestellt der Extremfall) anderer zu ergötzen? Mich hat die Handlung beim Lesen sehr bewegt und besonders wegen der Realitätsnähe ziemlich fassungslos zurück gelassen, die beschriebene Geschichte könnte sich so tatsächlich abspielen. Die Autorin hat dabei sehr geschickt mit meinen Gefühlen gespielt und an manchen Stellen neben Unverständnis auch starke Empörung hervorgerufen. Ich habe das Buch trotz der Grenzwertigkeit der Charaktere und deren Handlungen verschlungen und kann es kritiklos weiterempfehlen. 
Fazit: Ein spannender und rasanter Psychothriller, der mich noch lange beschäftigen wird.