Rezension

Sehr guter historischer Teil

Der Kaufmann von Lippstadt - Rita Maria Fust

Der Kaufmann von Lippstadt
von Rita Maria Fust

Bewertet mit 3 Sternen

Wir schreiben das Jahr 1764. Der Kaufmann Ferdinand Overkamp gehört zu den einflussreichsten und vermögendsten Bürgern von Lippstadt. Die Situation könnte sich aber schnell ändern, wenn bekannt wird, dass seine Tochter Elisabeth ein uneheliches Kind erwartet.

Wir befinden uns in der Gegenwart. Oliver Thielsen lebt in Lübeck. Beim Tode seiner Großmutter erbt er den Sekretär. Daran findet er ein Päckchen Briefe. Nach der Übersetzung eines der Briefe in heutiges Deutsch wittert er ein Geheimnis. Deshalb bewirbt er sich um eine Praktikumsstelle bei einer Zeitung in Lippstadt.

Der Roman wird aus zwei Perspektiven erzählt. Im historischen Lippstadt steht Ferdinand Overkamp im Mittelpunkt. Als ein junger Mann vor seinem Haus steht, trifft er eine folgenschwere Entscheidung.  Deutlich wird danach seine innere Zerrissenheit. Er weiß um seine Schuld, doch er verheddert sich immer weiter in dunklen Abgründen. Eine Lawine, die einmal losgetreten war, lässt sich nicht mehr stoppen. Bewunderungswürdig in diesem Teil ist die umfangreiche Recherche der Autorin. Ein gekonnt in die Handlung integrierter Stadtrundgang lässt das Städtchen vor meinen Augen lebendig werden. Vielfältige Zitate aus Originaldokumenten zeigen die Entwicklung des Ortes. Noch nicht erholt von den Schäden des letzten Krieges, wird Lippstadt von einer katastrophalen Explosion erschüttert.  

Friedrich Overkamp ist gut charakterisiert. Der selbstbewusste Kaufmann, der seine schwangere Tochter erbarmungslos nach Lübeck schickt, ist innerhalb nur eines Jahres ein gebrochener Mann.

Stück für Stück lässt mich die Autorin an dieser Entwicklung teilhaben. Nicht jede Entscheidung von Overkamp ist für mich logisch nachvollziehbar. Doch es ist seiner Zeit geschuldet und nicht mit den Augen des 21. Jahrhunderts zu betrachten.

Der gegenwärtige Teil des Romans konnte mich weniger fesseln. Oliver und seine Freundin Annika bleiben seltsam blass. In ihren Gesprächen reden sie weniger miteinander als aneinander vorbei. Allerdings hat es die Autorin auch hier ein paar Feinheiten eingebaut. So wird während eines Stadtspaziergangs aufgezeigt, welche der vorher vorgestellten Gebäude heute noch existieren.

Im Buch befindet sich als Zugabe je ein Stadtplan von Lippstadt von 1764 und 2010. Dazu gehört außerdem ein Verzeichnis der Quellenangaben und in Literaturverzeichnis, sowie Hinweise zu Realität und  Phantasie.

Das Buch hat mir gut gefallen. Das liegt insbesondere am historischen Teil, der ein ausführliches und abwechslungsreiches Bild der damaligen Zeit zeichnet.