Rezension

Spannender Fall

Endstation Neukölln - Connie Roters

Endstation Neukölln
von Connie Roters

Bewertet mit 4 Sternen

„...Wenn du schon nichts einkaufen gehst außer deinem Fusel, dann lass den Kleinen wenigstens ihren Kakao...“

 

Hauptkommissar Stefan Breschnow hat seinen freien Tag. Er verbringt ihn mit seinem besten Freund, dem Alkohol.

Cosma und Robert, zwei Reporter, sind bei einer Veranstaltung des Vereins „Für Berlin“, verlassen diese aber vorzeitig. Dabei kommt ihnen der Türsteher dumm.

Kimmie hat vor kurzem einige Tage bei ihrem Freund Thomas Tollner, genannt Toto, übernachten. Dafür besorgt sie ihn Drogen. Plötzlich steht ein Mann in der Wohnung und verlangt Geld. Toto ist nicht mehr aufnahmefähig. Kimmie hat kein Geld. Der Fremde fordert sie zu sexuellen Handlungen auf, doch sie flieht in die Küche und greift nach einer Schere. Kurze Zeit später liegt ein Toter im Haus.

Aus diesen kurzen Handlungssträngen hat die Autorin einen spannenden Krimi gestrickt. Er führt mich als Leser in die dunklen Gegenden von Berlin.

Die Personen werden gut charakterisiert. Breschnow trinkt und raucht mehr, als für ihn gut ist. Trotzdem hält sein Team noch zu ihm.

Kimmie hat eine alkoholkranke Mutter, die regelmäßig Männer mit nach Hause bringt, aber sonst nichts auf die Reihe bekommt. Allerdings leben im Haushalt noch Kimmies kleine Zwillingsschwestern. Kimmie sorgt dafür, dass sie ab und an was zu Essen bekommen und bringt sie in den Kindergarten.

Kimmie und ihr Freund Toto waren bisher stets Opfer im Kiez. Sie haben sich kaum gegen ihre Peiniger gewährt.

Der Schriftstil des Buches ist der düsteren Atmosphäre der Handlung angepasst. Obiges Zitat fällt, als Kimmies Mutter gerade dazu kommt, wie Kimmie den Kleinen Kakao macht, das einzige, was im Haus noch zu finden ist. Sehr gut wird herausgearbeitet, wie Kimmie sich im Laufe der Handlung ändert. Sie will nicht länger Opfer sein.

Im Gegensatz dazu ignoriert Breschnow die gut gemeinten Ratschläge seiner Kollegen und greift stets erneut zum Alkohol. Andererseits hat er eine gewisse soziale Ader. So redet er mit Willy, einem Obdachlosen, wie mit Seinesgleichen und hat keine Berührungsängste. Als ein Verdächtiger eine Kollegin beleidigt, schlägt er kurzerhand zu.

Cosma träumt davon, eine Reporterin zu werden, die Missstände aufklärt. In dem Job aber ist sie auf das Wohlwollen ihrer Vorgesetzten angewiesen und muss zusehen, wie die ihre Artikel auf ein Minimum zusammenstreichen

Die äußere Spannung ergibt sich aus den Ermittlungen, die sich als schwierig erweisen. Es existiert aber auch eine innere Spannung, die aus den ungeklärten Beziehungen der Verdächtigen resultiert. Nebenbei geht das Leben weiter. Der Fall weitet sich aus. Manch einer lügt, dass sich die Balken biegen. Geschickt erfahre ich nach und nach, wie die Verstrickungen in der Drogenszene funktionieren. Das Jugendamt, das auf die Verhältnisse in Kimmies Familie aufmerksam gemacht wird, spielt meiner Meinung nach ebenfalls eine unrühmliche Rolle.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, wie Situationen eskalieren, weil Hilfe dort fehlt, wo sie dringend gebraucht wird. Der gesellschaftskritische Aspekt wurde anschaulich verdeutlicht. Breschnow hat sich am Ende die Frage gestellt, ob das Desaster zu verhindern gewesen wäre. Jeder Leser wird sicher darauf seine eigene Antwort finden.