Rezension

Spurensuche - die Chronik eines Familiendesasters – lesenswert!

Porträt auf grüner Wandfarbe -

Porträt auf grüner Wandfarbe
von Elisabeth Sandmann

Bewertet mit 5 Sternen

Spurensuche - die Chronik eines Familiendesasters – lesenswert!

Eine spannende, aber auch sehr berührende, traurige Zeitreise kommt durch einen Telefonanruf in London 1992 ins Rollen. Gwen Farleigh, 34 Jahre alt, einzige Enkelin der großen, teils jüdischen Familie, trägt über mehrere Monate Informationen und Material aus einer Zeit ab 1909 zusammen, die sie an verschiedenen Orten wie Berlin, Köslin in Pommern, Schloß Elmau, Bad Tölz und London aufspürt. Auf ihrer Suche nach den Familienwurzeln findet sie keine einfachen Antworten bei der Großeltern- und Elterngeneration neben so viel Schuld, Verlust und Scham, verursacht durch zwei Kriege, das Nazi-Regime und Juden-Verfolgung. Die bildliche Sprache überzeugt. »Lily sagt, ihr seid die Generation der verkalkten Wasserkocher. Funktionieren noch, aber die Kalkschichten lassen sich nicht mehr so leicht lösen. « So werden schichtweise verdrängte Erinnerungen aufgebrochen, gekoppelt an teils sehr schmerzhafte, nachvollziehbare, auch historische Geschehnisse. Anhand von zusammengetragenen Briefen, Fotografien und Ellas niedergeschriebene Lebensgeschichte kommen mehr und mehr Puzzlestücke zusammen, verbunden mit der Charakterisierung verschiedener, teils exzentrischer Familienmitglieder und hilfsbereiter Freunde an diversen daran geknüpften, gut beschriebenen Örtlichkeiten. Die Anzahl der aufgeführten Personen ist anfangs vielleicht etwas verwirrend, aber mit Aufdeckung der vielen Verdrängungen, aber auch schönen Erinnerungen wird der Leser mit diesen Menschen vertraut, umgeben von echten Gefühlen, aber auch einer Scheinwelt mit Prestige, Egoismus und Besitz. Das bedrohte Leben vieler Vertriebener wird lebendig beschrieben im Klima der damaligen Zeit.