Rezension

Starke Frauen, unverzichtbar und doch im Hintergrund

Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen - Margot Lee Shetterly

Hidden Figures - Unerkannte Heldinnen
von Margot Lee Shetterly

Bewertet mit 4 Sternen

»Veranlassen Sie, dass das Mädchen die Zahlen prüft«, sagte der Astronaut. Wenn sie nichts zu beanstanden hätte, wäre er startbereit.

Februar 1962. John Glenn ist perfekt auf seine Mission vorbereitet. Aber kurz vor dem Countdown stellt er eine Bedingung. Er steigt erst ein, wenn Katherine Johnson die Berechnungen des IBM-Computers allesamt von Hand nachgerechnet hat.

 

Ich kenne die Aufnahmen aus dem Kontrollraum, die damals und in der Folgezeit in alle Welt übertragen wurden. Fasziniert starrte ich auf die konzentriert und wichtig aussehenden Männer und ahnte nicht, dass sich im Hintergrund, unbemerkt und von den Kameras unbeachtet, jemand so Wichtiges für die Mission aufhalten würde wie Katherine Johnson.

Sie und zahlreiche weitere Frauen arbeiteten über Jahrzehnte hinweg im Hintergrund und leisteten unverzichtbare Arbeit. In diesem Buch erzählt Margot Lee Shetterly ihre Geschichte.

 

Die Tochter eines NASA-Forschers wurde auf die Problematik aufmerksam, als ihr Vater ihr eines Tages von einer Nachbarin erzählte, die in Langley „als Computer gearbeitet“ hatte. Dem ersten Gespräch mit dieser Nachbarin folgten weitere Interviews und umfangreiche Recherchen. Das Ergebnis ist mehr als beeindruckend und sollte erzählt werden.

 

Katherine Johnson war wie die Autorin Afroamerikanerin. Frauen im Allgemeinen hatten es schon schwer, sich im Beruf zu behaupten, aber mit einer nicht-weißen Hautfarbe waren die Probleme noch ungleich größer. Dabei war die Arbeit der „Mädchen“ in Langley und später bei der NASA, die je nach Hautfarbe „West-Computer“ oder „Ost-Computer“ genannt wurden, von Anfang an unverzichtbar. Zunächst mussten sie ran, weil kriegsbedingt die Männer fehlten, Amerika aber bei der Entwicklung von Flugzeugen ganz dringend einen Zahn zulegen musste bzw. wollte. Und als die Russen Jahre später bei der Eroberung des Weltraums die Nase vorn hatte, erkannte Amerika erneut, dass man es sich nicht leisten konnte, auf die tatkräftige Mitarbeit eines großen Teils der fähigen und kompetenten Bürger zu verzichten.

 

Die Frauen, zum Teil hochqualifizierte Mathematikerinnen, rechneten tagein tagaus. Sie führten die kompliziertesten Berechnungen durch – und sie waren dabei sehr gut. Besser als viele der Ingenieure. Doch erst Mitte der 50er Jahre erhielten Rechnerinnen mit einem Abschluss in Mathematik den Titel Mathematikerinnen, Männer mit derselben Ausbildung führten ihn ganz selbstverständlich. Langleys erste Ingenieurin hatte sich 1939 einen Studienplatz gerichtlich erstreiten müssen und eine Frau, die einem Ingenieur zuarbeitete, konnte nicht damit rechnen, ihren Namen irgendwo in der fertigen Forschungsarbeit vorzufinden.

 

Für viele Männer waren die Rechnerinnen nicht mehr als ein Stück „lebender Hardware“ und die afroamerikanischen mussten zusätzlich noch mit den Problemen leben, die die Rassentrennung mit sich brachte, zum Beispiel weit laufen, um die Toilette mit der Aufschrift „farbige Mädchen“ zu erreichen oder in der Cafeteria an dem Tisch mit der Kennzeichnung „farbige Computer“ sitzen.

 

Sich da zu behaupten ist schwer. Sehr schwer. Umso bewundernswerter die Geschichte von beispielsweise Katherine Johnson, die die Zeitfenster für die ersten Astronauten berechnete, von Dorothy Vaughan, der ersten afroamerikanischen Abteilungsleiterin, oder von Mary Winston Jackson, die sich bis zur Ingenieurin durchbiss und dann jahrelang auf Fachkonferenzen nicht nur die einzige Frau, sondern auch noch die einzige schwarze Person war.

 

Die Autorin hat ihr Buch randvoll mit Wissen gepackt. Wer den Film gesehen hat, zum Buch greift und normalerweise keine Sachbücher liest, könnte enttäuscht werden. Das hier ist kein Roman, auch eine Biografie darf man nicht erwarten. Im Wesentlichen wird die Geschichte der amerikanischen Luft- und Raumfahrt erzählt, mit einem Schwerpunkt auf der Mitarbeit der Frauen, die gleichzeitig unverzichtbar und immens wichtig war und doch fast immer nur im Hintergrund ablief.

 

Ich muss gestehen, dass ich gerne noch mehr über die Frauen erfahren hätte. In Zwischenabschnitten stellt die Autorin einige von ihnen vor, erzählt etwas über ihr Leben, ihre Herkunft und die Probleme, mit denen sie zu kämpfen hatten. Allerdings führt sie gleichzeitig detailliert aus, woran gerade wie gearbeitet und geforscht wurde. Zudem beschreibt sie stets genau, wie sich die jeweils aktuelle Situation in der Problematik der Rassentrennung entwickelte. Das ist alles hochinteressant und wichtig, doch manches Mal wurden die Geschichten der Frauen so stark unterbrochen, dass sie in den Hintergrund gerieten. Das fand ich sehr schade, genau das sollte doch bei diesem Buch nicht geschehen. Ein wenig mehr Struktur wäre gut gewesen und vielleicht noch ein paar zusätzliche Seiten über die einzelnen Frauen, damit man ihnen beim Lesen noch näherkommen könnte. Diesen Frauen, die es schafften, Rassenschranken zu überwinden und die den Weg ebneten für unzählige weitere Frauen.

 

Fazit: Sehr beeindruckende Lektüre, die Geschichte dieser starken Frauen fasziniert und sollte unbedingt weitererzählt werden.

 

»Sagen Sie mir, wo der Mann landen soll, und ich sage Ihnen, an welcher Stelle ihr ihn losschicken müsst.«