Rezension

Suche nach der Wahrheit

Zweistromland -

Zweistromland
von Beliban Zu Stolberg

Bewertet mit 5 Sternen

Dilan ist die Tochter von Kurden, die in Deutschland leben. In ihrer Familie gab und gibt es viel Ungesagtes über die Familiengeschichte, über die Vergangenheit. Und dieses Ungesagte hat natürlich Folgen. Dilan lebt mit ihrem schwedischen Mann in Istanbul, auch dies ist ja irgendwie ein Zeichen, sie hätte ja auch in Deutschland bleiben können. Als Wirtschaftsanwältin wird sie ja mit geschichtlichen Entwicklungen in der Türkei durchaus vertraut sein und auch einigen politischen Einblick haben. Dennoch lebt sie als Kurdin dort. Wirtschaftlich geht es den beiden gut, in ihre Beziehung hat sich nur eine gewisse Unlust zum Reden eingeschlichen, vielleicht ist auch etwas aus der Gefühlswelt verschwunden, manchmal kann man ja diese Veränderungen noch nicht so richtig benennen. Auch an diesem bisher sicheren Ort zeigen sich Risse. Der Tod der Mutter und das Geschehen auf der Beerdigung der Mutter reißen ebenso alte Wunden wieder auf, lassen alte Fragen wieder aufkommen und alte Gedanken. Gedanken, die nicht verschwinden, die sich nicht verdrängen lassen. Und so reist die schwangere Dilan vollkommen spontan und ohne Absprachen schließlich in die Heimat der Eltern, nach Diyarbakir in den Osten der Türkei, eine uralte Stadt am Tigris und ein Zentrum der Kurden. Und spürt der Vergangenheit der Eltern nach, spürt der Vergangenheit der Kurden nach. Ein eigenwilliger Schritt. Ein mutiger Schritt. Aber auch ein irgendwie vorschneller Schritt. Würde diesen Schritt jede Frau mit kurdischer Abstammung tun? Dies bezweifele ich etwas. Denn das politische System der Türkei hat seine Tücken. Andererseits zeigt diese Reise auch die Dringlichkeit des zugrunde liegenden Problems. 

 

Denn dieses Ungesagte in Dilans Familie scheint sich zu einem riesigen Berg aufgetürmt zu haben. Von daher verstehe ich diese Reise wieder. Trotzdem bewundere ich Dilan auch für ihren Mut und bin etwas irritiert.

 

Beliban zu Stoltenberg hat mit „Zweistromland“ ein einfühlsames und berührendes Buch geschrieben, welches zeigt, was dieses Ungesagte mit den Beteiligten machen kann. „Zweistromland“ ist ebenso ein Buch, welches zeigt, was passieren kann, wenn man zwischen zwei Stühlen sitzt. Den Schreibstil von Beliban zu Stoltenberg fand ich ungemein poetisch und wunderschön, der Roman „Zweistromland“ ist ungemein intensiv, man mag sich diesem Buch nicht entziehen wollen. Was natürlich neugierig macht auf Weiteres aus der Feder dieser Schriftstellerin. Ich habe dieses Buch sehr gern gelesen und empfehle es gern.