Rezension

Tick Tack

Tick Tack -

Tick Tack
von Julia Lucadou

Bewertet mit 3.5 Sternen

Meine Meinung und Inhalt

" Du bist wie diese Thermomix-Hipster, die, seit Greta ihnen schlechtes Gewissen macht, jeden Tag stolz mit ihrem holländischen Lastenrad in den Unverpacktladen radeln und ihren drei Kindern auf dem Weg die Augen zuhalten, wenn ihnen jemand mit Alditüte entgegenkommt. Das ist die schlimmste Sorte, weil sie tief im Innersten davon überzeugt sind, dass sie gute Menschen sind. Dass sie wirklich etwas ausrichten in der Welt der brennenden Kängurus." (ZITAT)

Bevor sie sich auf die U-Bahngleise legt, kündigt Mette, 15, in TikTok-Videos ihr Vorhaben an. Niemand reagiert – gerettet wird sie trotzdem. Der Selbstmordversuch verwirrt ihr privilegiertes Umfeld: Bislang hat sie professionell die Leistung des hochbegabten Kindes abgeliefert – Mettes Strategie, um unter dem Radar einer Welt zu bleiben, deren Verlogenheit sie frustriert.

"Tick Tack" wird aus der Perspektive von Mette geschildert, die einen Selbstmordversuch überlebt hat und nun gezwungen ist, eine Psychotherapie zu machen. Wie schon von ihren Eltern und Lehrern, über die sie nur abfällig denkt und nicht ernst nimmt, hält sie auch von der Psychologin wenig. Sie flüchtet sich lieber in ihre Social Media-Accounts, die sie auf diversen Plattformen unter mehreren Pseudonymen pflegt, so dass sie offiziell nur ihre harmlose Seite zeigt.

 

Dann lernt sie Jo kennen, zehn Jahre älter, brillant und voller Wut, ein Verbündeter. Als Anti-Influencer hat er sich ein Following aufgebaut und rekrutiert Mette für den Kampf gegen den Mainstream.

Die Kapitel des 26-jährigen Ex-Studenten Jo unterscheiden sich stark von denen Mettes. Er schildert in aggressiven Forumsbeiträgen seine Sicht auf die Welt. Die Texte sind durchzogen mit sprechenden Hashtags, Dateinamen und fiktiven Links – auch hier öffnen sich zahlreiche Metaebenen.

Leider konnte mich das Buch nicht wirklich überzeugen. Die Botschaft kommt an, sprachlich wurde ich mit "Tick Tack" nicht warm. Die Wandlung, welche die Protagonistin im Laufe des Buches entwickelt, habe ich mit mit Interesse verfolgt und mich durchaus der Meinung, dass die Autorin dieses brisante, gesellschaftliche Thema eindrücklich verarbeitet hat.

 

Meisterhaftes Debüt aufs Parkett gelegt: DIe 1982 geborene deutsche Autorin hat Filmwissenschaften studiert und nach ihrer Promotion als Regieassistentin, als Redakteurin beim Fernsehen und als Simulationspatientin gearbeitet. Ihr Debüt als Schriftstellerin gab sie 2018 mit der Veröffentlichung des Romans „Die Hochhausspringerin“. Erzählt wird die Geschichte der plausiblen wie bitterkalten Welt der Hochhausspringerin Riva, die für ein Millionenpublikum immer perfekt funktionieren muss. Als sie sich weigert, zu trainieren, bekommt die junge Hitomi den Auftrag, Riva zur Vernunft zu bringen. Sollte es ihr misslingen, droht ihr der Ausschluss aus der Gesellschaft. Julia von Lucadou lebt abwechselnd in Biel, New York und Köln.