Rezension

Unglaubwürdig, konstruiert, langweilig.

Allmacht - Marcus Richmann

Allmacht
von Marcus Richmann

Bewertet mit 0.5 Sternen

Die Welt hat dieses Machwerk nicht gebraucht. Ein grässliches Ding.

Auf das Buch wurde ich durch die Werbung aufmerksam, also habe ich es geholt, in der Hoffnung, eine spannende Lektüre fürs Wochenende erworben zu haben.

Wie man sich doch täuschen kann.

Es gibt kaum einen Punkt, der mir so etwas wie Lesespaß bereitet hätte. Es ist eher ein sicheres Mittel zum Lesen-Abgewöhnen. Ein grässliches Ding.

So etwas wie Spannung ist kaum da, denn sie wird mit unzähligen Stoffwiederholungen im Keim erstickt. Da fühlte ich mich als Leser nicht für voll genommen, ich musste oft genug denken: Ich bin doch kein Idiot, warum werde ich hier so behandelt?

Auch war auf einfachere Gemüter zugeschnittene Effekthascherei oft genug der Grund, weshalb ich das Buch stets in die hinterste Ecke befördern wollte.

Der Witz ist, kaum war ein endloser Tal voller öder Berichte überquert, zwei oder gar drei hintereinander geschaltet, um ganz sicher zu gehen, dass die Spannung nun komplett weg ist und die Handlung sich nicht einen Millimeter bewegt, da wurde die Perspektive gewechselt und das Ganze nochmals erzählt. So toll war der Stoff aber nicht, als dass ich ihn doppelt und dreifach haben müsste. So kann man die Seiten füllen.

Die Figuren riefen bei mir hpts. Glaubwürdigkeitsfragen und Kopfschütteln hervor. Bei den Russen sind alle böse, menschlicher Abschaum wohin das Auge reicht, ob Männer oder Frauen. Entweder sind Frauen Prostituierte und unlängst dem Knast entstiegen, wo sie missbraucht wurden (diese Einzelheiten der Vergewaltigungen mussten an mehreren Stellen unbedingt rein, Stichwort Effekthascherei), oder sind sie ehem. Drogenabhängige, gierige, egoistische wie berechnende Miststücke, usw. Bei den Männern verhält es sich ähnlich. Entweder ist es der Machgierige Mafioso selbst oder seine Handlanger, die von ihm längst korrumpiert wurden, und hampeln nach seinem Gusto. Der Frank, ein armer Teufel, der in den Dreck reingezogen wurde, hätte eigentlich Potential zum Sympathieträger, aber er nein, er betätigt sich als Callboy, schlägt seinen alkoholsüchtigen Vater, beklaut ihn, zudem nutzt er seine Freundin, die ihn liebt, ohne Rücksicht auf Verluste aus und läuft einer Marionette des Hauptmafioso hinterher, die ihm die ganzen Probleme eingebrockt hat.

Mit wem soll man da durch die Geschichte fiebern, blieb mir ein Rätsel. Der Hauptermittler Charkow, der an mehreren Stellen als intelligent oder gar sehr intelligent angepriesen wurde, konnte mich kaum überzeugen, geschweige denn für sich gewinnen. Gleich zu Anfang, als die Leiche eines älteren, korpulenten Russen in der angemieteten Villa gefunden wird, ist auch sofort die Rede von Analsex, da Sperma beim ihm an der Stelle gefunden wurde. Aber keiner, weder Charkow noch die Mediziner kommen darauf, dass es in dem Fall auch Fissuren der Schließmuskel da sein müssten. Stattdessen wird lieber brav drauf losspekuliert, wie wahrscheinlich denn es war, dass er schwule Neigungen pflegte. Sehr „intelligent“. Effekthascherei lässt wieder mal grüßen.

Und als ob das schon damit nicht genug Ekel auf die Seiten geschmiert gewesen wäre, da kommen noch  die Schilderungen des lesbischen Geschlechtsverkehrs noch dazu. Bei einem Mal bleibt es nicht. Effekthascherei, volles Programm.

Statt vernünftig die Spannung aufzubauen, zumindest ihre Anfänge nicht killen, lieber billige Effekte reinklatschen. Schlichte Gemüter würden sich dann schon beeindruckt zeigen, so die Hoffnung.

Die Handlung erinnerte an billige Vorabendserien, war oft konstruiert, wartete mit Möchte-gerne-Zufällen an wichtigen Stellen auf. Vieles war schlicht hingebogen, und das nicht ein Mal, damit es zumindest oberflächlich passte. Ich war nicht müde, das Buch aus der Hand zu legen.

Ganz fies wurde es zum Schluss, als auch noch die Anspielung auf das vor paar Jahren über der Ukraine abgestürztes Flugzeug hinzukam. Die musste auch paar Mal weiderholt werden. Aber sorry. So ein Unglück in so einem trivialen Stück zu verarbeiten ist nicht nur stark daneben, es ist schlicht pietätslos. Man sieht, vor nichts wurde hier Abstand genommen. Effekthascherei um jeden Preis.

Des Rätsels Lösung zu den Geschehnissen im Uralgebirge 1959, die schon fast sci-fi-mäßig am Anfang, in der Leseprobe, in Szene gesetzt worden waren, entpuppte sich als so banal, dass ich mich wieder mal veräppelt fühlen durfte.

Das Ganze ist in einer eher dürftigen Sprache voller unnötiger Wortwiederholungen und zu regem Gebrauch von war und hatte verfasst worden, garniert mit grammatischen und orthographischen Fehlern.

Und zu allem Überfluss verließ mich im Laufe der gesamte Lektüre der Eindruck nicht, dass sich der werte Autor auf der in den Massenmedien der letzten Jahre wohl etablierter Welle des Antirussismus gemütlich eingerichtet hatte. Klar, es ist so bequem, sich ins gemachte Nest zu setzen und die Russen, ob in der Gegenwart oder in der Vergangenheit, als ein Haufen von Mafiosi,  Verbrechern und Killermaschinen darzustellen.

Dabei war ich überzeugt, der Autor wusste nicht so recht, wovon er eigentlich schrieb, z.B. als er  bestimmte Realien schilderte. Mehrmals wurde erwähnt, Charkow holt sein Essen vom russischen Restaurant, dazu eine Flasche georgischen Rotweins. Jedes Mal, als dies zur Sprache kam, blieb es ganz im Abstrakten. Welcher georgischer Wein denn genau ist hier gemeint?, musste ich mich dabei fragen. War es ein Tsinandali, Kindzmarauli, Mukuzani oder doch ein Rkaziteli? Wenn ich gesehen hätte, dass der Autor weiß, wovon er spricht, wäre mir Charkow evtl. etwas sympathischer geworden, denn da wäre klar, wir teilen die gleiche Leidenschaft für gute Weine, die außerhalb des Mainstreams stehen. Alle Namen der Weine sind online. Man hätte vorher eine kleine Recherche durchführen sollen. Aber nein, warum sich um Details kümmern, wenn es auch schlampig geht? Ich bezweifele aber, dass man in der Schweiz die georgischen Weine überhaupt bekommt, da die Schweiz sehr strenge Bestimmungen pflegt, was Import von Lebensmitteln angeht. Daher ist mir das mit dem georgischen Wein eher unglaubwürdig im Ganzen. Ähnlich verhält es sich mit Speisen und Phrasen, die, warum auch immer, unbedingt auf Russisch in lat.Schrift in den Text reingemusst haben. Da trieft es ebenfalls vor orthographischen Fehlern und noch-Luft-nach-oben Übersetzungen. Dabei hätte man schlicht ins Wörterbuch schauen können, um solche Dinge zu vermeiden.

Fazit: Die Welt hat dieses Machwerk nicht gebraucht. Hier kann ich höchstens einen Stern vergeben.

Wer etwas Brauchbares zum Thema Allmacht lesen mag, dem sei das Buch von Daniel Ganser Illegale Kriege ans Herz gelegt. Daniel Ganser ist Schweizer Historiker, der seit über zwanzig Jahren in der Friedensforschung tätig ist. In seinem Buch ist nichts erfunden und (leider) wahr. DA bekommt man eine adäquate Vorstellung von der Allmacht.