Rezension

Spannend

Allmacht - Marcus Richmann

Allmacht
von Marcus Richmann

Bewertet mit 5 Sternen

„...Wir werden die Wahrheit so schnell aus dem Wasser ziehen, wie du die Regenbogenforelle aus der Moskwa, die an deiner Datsche vorbeifließt...“

 

Im Jahre 1959 brechen 10 sowjetische Studenten zum Cholat Sjachl auf. Ein Schamane warnt sie. Einer der Studenten kehrt um, weil er sich nicht wohlfühlt. Die anderen Neun kommen bis zum Fuß des Berges. Diese Nacht soll ihre Todesnacht werden. Ihr Tod wird nie aufgeklärt.

Dann wechselt die Handlung in die Gegenwart. Maxim Charkow erhält an seinem freien Tag einen Anruf seiner Assistentin Priska. In einer Villa am Zürichsee wurde die Leiche des russischen Milliardärs Igor Komarow gefunden. Bei Ankunft der Polizei flieht ein junger Mann über das Dach. Alles sieht nach einem Mord mit homosexuellen Hintergrund aus. Doch Charkow ist skeptisch.

Der Autor hat einen fesselnden Kriminalroman geschrieben. Geschickt verknüpft er die Geschehnisse in der Vergangenheit mit dem aktuellen Mord.

Die Personen werden gut charakterisiert. Charkow kann seine russischen Wurzeln nicht verleugnen. Das zeigt sich nicht nur in seinem Privatleben, sondern auch bei seinen Ermittlungen. Er weiß, wie seine Landsleute ticken und spürt die Angst bei dem einen oder anderen, er könne ein Wort zu viel sagen. Gleichzeitig herrscht im Team der Ermittler eine angenehme Atmosphäre.

Die Spannung ergibt sich aus der Verknüpfung mehrerer Handlungsstränge. Ich möchte bewusst hier nicht auf alle eingehen. Hinzu kommt, dass anfangs überhaupt nicht klar ist, wer von wem wie und warum abhängig ist.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen und unterstützt den Spannungsbogen. Das bewirken auch die in kurze Abschnitte geteilten Kapitel, die einen schnellen Wechsel zwischen den Handlungsorten ermöglichen. Ab und an erhalte ich als Leser einen Einblick in die Ermittlungen oder eher in die kaum stattfindenden Ermittlungen zu den Ereignissen des Jahres 1959. Außerdem mag ich Charkows philosophische und gesellschaftskritische Ader, die das folgende Zitat belegt.

"...Die Feudalherrschaft aus dem Mittelalter hatte bis heute überlebt. Mit dem Unterschied, dass die obere Schicht erkannt hatte, der unteren Schicht ausreichend Brot und Spiele zu geben, damit sie sich ruhig verhielt und sogar die Interessen der Oberschicht verteidigte..."

Das Eingangszitat stammt ebenfalls von Charkow und ist ein Beispiel für die stellenweise bildhafte Sprache des Autors. Er beherrscht den Umgang mit Metaphern. Außerdem erlaubt mir der Schriftstil, die Ermittlungen detailgenau zu verfolgen. Gut finde ich, dass mir bei einigen der Protagonisten der Blick in ihre Vergangenheit gewährt wird. Dadurch eröffnet sich nach und nach die Sicht in ein menschenverachtendes System, dass ohne jegliche Kontrolle durch den Staat agiert – und das nicht nur in Russland, sondern auch in der Schweiz.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es geht der Frage nach, welche Methoden es gibt, den freien Willen des Menschen zu instrumentalisieren.