Rezension

Verlorene Worte und graue Wolken– Bizarrer All-Age Thriller mit Tiefe

30 Sekunden zu spät - Kaja Bergmann

30 Sekunden zu spät
von Kaja Bergmann

Bewertet mit 3 Sternen

„Der 10. September 2016. Ich weiß, dass ich gerade im Seniorenheim stehe. Ich weiß, dass ich meinen Opa besuche. Ich weiß, wer ich bin. Nepomuk. Ich bin Nepomuk. Mein Opa weiß es nicht.

Meine Freundin holt mich ab, Miranda. Wir packen unsere Sachen und fahren los, Richtung Nordsee. Einfach so, von einem Moment auf den anderen, ganz spontan. Ich hasse Spontanität!

Wir kommen in Büsum an, mein Kopf tut weh, immer öfter, immer stärker. Miranda fühlt sich verfolgt, immer öfter, immer stärker. Doch ich nehme sie nicht ernst, bin abgelenkt, suche etwas. Etwas. Etwas stimmt nicht, etwas ist seltsam – was läuft hier falsch? Ich weiß es nicht.

Und dann … Tod. Zu spät. Nur ein wenig, nur 30 Sekunden. Nur 30 Sekunden früher, dann wäre … Vielleicht wäre dann alles anders.“ (Quelle: Bookspot)

Die Autorin:

Kaja Bergmann, Jahrgang 1992, studiert derzeit Deutsch und Kunst auf Lehramt in Marburg. Nach ihrem erfolgreichen Debüt „Gabriel“, erschienen 2013 bei Bookspot, präsentierte die junge Autorin mit „Der Mephisto-Deal“ und „Mnemophobia“ zwei spannende All-Age-Thriller. Auch ihr neuer Roman „30 Sekunden zu spät“ wird Leser ab 14 Jahren mit unerwarteten Wendungen fesseln.

Reflektionen:

Vor zwei Jahren habe ich Mnemophobia von der jungen Autorin Kaja Bergmann gelesen und ich war sehr von der Sprache verzaubert, die unglaublich viel Tiefe in den Sätzen beherbergt. Nach Mnemophobia war ich mir sicher, dass Kaja Bergmann eine literarische Zukunft vor sich hat und umso mehr war ich gespannt, wie sich Kaja Bergmann sprachlich weiterentwickelt hat.

Nur selten übernehme ich den Klappentext eines Verlags, doch bei 30 Sekunden zu spät, ist es eine wohlüberlegte Entscheidung, damit man als Leser einen ersten Eindruck der Story, der Worte und Formulierungen gewinnt.

30 Sekunden ist ein All-Age-Thriller für Leser ab 14 Jahren und nach meinem Empfinden dort gut aufgehoben.

Der Einstieg in die Geschichte gelingt spielend leicht. Kaja Bergman macht es dem Leser leicht, sich in der Geschichte zu verlieren. Süffig, vor allem aber kurzweilig und sogar bis anmutig zeichnet sie eine lebendige Geschichte.

Nemo ist sehr verzweifelt, da sein Großvater plötzlich unter Demenz leidet. Authentisch bringt Kaja Bergmann die Emotionen Nemos zum Ausdruck, der beinahe in seinen Sorgen ertrinkt. An seiner Seite ist Freundin Miranda, als sie spontan überlegen, sich eine Auszeit zu nehmen. Sie wollen ans Meer und endlich mal spontan sein. Doch Nemo hat ein Ziel. Er ist auf der Suche.

Als Leser erfährt man zunächst nicht, was Nemo sucht. Die Geschichte bekommt einen leicht geheimnisvollen Touch, der dann fast ins Unheimliche abdriftet. Kaja Bergman spielt sehr mit den Gedanken des Lesers. Sie führt ihn in die Irre, zeichnet Bilder die keine sind und verrät dies erst, nach dem sie die bizarren Gedanken Nemos nach und nach auflöst. Dennoch ist die Auflösung nicht ganzheitlich. Kaja Bergmann provoziert den Leser, die Geschichte auf seine Weise zu Ende zu denken und das gefällt mir richtig gut.

Etwa in der Mitte des Thrillers wechselt die Perspektive überraschend von Nemo zu Miranda. Hierbei wird deutlich, wie unterschiedlich Menschen empfinden, auch wenn sie das ein und selbe erleben. Mir ist zunächst nicht klar, welche Perspektive die reale ist und vor allem kann ich zunächst nicht erahnen, was die jeweils andere Perspektive mir sagen möchte. Darauf muss man sich als Leser einlassen wollen, sonst wird man 30 Sekunden zu spät nicht für sich einordnen können. Es wird also bizarr. Ich muss über Kaja Bergmanns besondere Ideen wohlwollend schmunzeln.

Zu guter Letzt fragt man sich, was alles hätte passieren können, wenn Handlungen 30 Sekunden eher geschehen wären.

Kaja Bergmanns Schreibstil hat sich gefestigt. Sie bewegt sich inzwischen auf literarisch sicherem Terrain. Vor allem gelingt es ihr nicht nur Situationen zu schildern und Dialoge zu führen, sie intensiviert in jedem Satz die Tiefe der Story. Das Talent hat nicht jeder.

30 Sekunden zu spät ist ein außergewöhnlicher Thriller, der die Meinungen der Leserschaft sicher spalten wird. Ich empfehle diesen Thriller eingeschränkt, denn er ist nur dort in guten Händen, wo die Bereitschaft für Gedankenkarusselle vorhanden ist.

Ich mag es sehr, das Kaja Bergmann dem Leser einiges abverlangt und doch würde ich mir von ihr einmal einen herkömmlichen Roman wünschen, der weniger bizarr in seiner Tiefe ist. Ich bin mir sicher, es würde ein Highlight werden.

Fazit und Bewertung:

30 Sekunden zu spät ist ein außergewöhnlicher All-Age-Thriller. Die Nachwuchsautorin beherrscht das literarische Geschick und legt in jeden ihrer Sätze inhaltliche eine gekonnte Tiefe.

30 Sekunden zu spät wird die Meinungen der Leserschaft sicher spalten. Ich empfehle diesen Thriller eingeschränkt, denn er ist nur dort in guten Händen, wo die Bereitschaft für Gedankenkarusselle vorhanden ist.

©nisnis-buecherliebe