Rezension

Viel Zeit und Raum für Gefühle und Nachdenken

Die Stadt und ihre ungewisse Mauer -

Die Stadt und ihre ungewisse Mauer
von Haruki Murakami

Bewertet mit 5 Sternen

In "Die Stadt und ihre ungewisse Mauer" schreibt Murakami neu die Geschichte, die er schon in einem seiner ersten Romane „Hard-Boiled Wonderland und das Ende der Welt“ geschrieben hat, weil er das Gefühl hatte, die Geschichte sei nicht beendet.

Der namenlose Hauptcharakter ist ein normaler Mensch. Wir lernen ihn kennen als er 17 Jahre alt war und sich in eine 16-ig Jährige verliebt und seine Geschichte springt viele Jahre, als er in einer Schule am Lande arbeitet, wo er Zeit zum reflektieren hat und eine neue, reifere Liebe erleben darf.
Die Stadt, umgeben von einer ungewissen Mauer, kann vieles bedeuten. Im Buch wird es beschrieben als eine Stadt, in der Menschen ohne ihren Schatten leben. Beim kommen in die Stadt, bleiben die Schatten beim Eintritt und wenn man die Stadt nicht bald verlässt, dann werden die Schatten sterben. Der Roman gibt keine Fragen, sondern nimmt den/die LeserIn auf eine Reise mit und gibt viel Zeit und Raum zur Vorstellung und zum Nachdenken. Ob die Stadt eine Art Unterbewusstsein ist, wo man sein wahres Selbst sucht, oder wirklich eine andere Welt - das Leben nach dem Leben, das wissen wir nicht. Man kann das Gelesene so innen halten, wie man möchte.
Die Stimme von David Nathan unterstützt und verstärkt sehr gut die Gefühle, deshalb finde ich sehr gut ausgewählt für diesen Roman.

Der Schreibstil ist in diesem Roman sehr ruhig. Es wird manchmal schon wiederholt. Ich war überrascht zu merken, wie unterschiedlich ich empfunden habe, als ich mehrmals gehört habe, dass der Hauptcharakter 17 war und seine Freundin 16 - mal habe ich die Jugend gespürt, als die Verliebten unerfahren sind und das Herz stark schlägt, dann habe ich das als Entschuldigung, dann einfach sachlich, wie eine Erklärung empfunden, usw. Es wird öfter erwähnt, dass sie 17 und 16 waren und für mich hat jedes Mal anders geklingelt. Ich denke nur ein so erfahrener Autor wie Murakami kann mit den gleichen Wörtern so unterschiedliche Gefühle herausbringen.

"Die Stadt und ihre ungewisse Mauer" ist ein sehr gelungener Roman von Murakami und hält genau das, was er verspricht, "ein melancholischer, zärtlicher und philosophischer Roman über eine verlorene Liebe, die Suche nach dem Selbst und die Möglichkeit, Mauern zu überwinden."