Rezension

Viel zu schön und unberührt

Imago - Isabel Abedi

Imago
von Isabel Abedi

Schon so ewig lang habe ich nicht mehr sowas Schönes gelesen wie diese Geschichte. Eine so realitätsnahe und doch so phantastische Geschichte mit Elementen, der alten Schule. An diesem Buch habe ich gemerkt, dass mich ältere Geschichten immer noch am meisten umhauen, weil sie einfach einen anderen Flair haben als die neueren.

Es geht um Wanja, ein Mädchen das ihren Vater nicht kennt und bei ihrer Mutter wohnt. Sie ist gerade frisch in die Pubertät gekommen und stellt natürlich Fragen über Fragen. Immer wird sie von ihrer Familie dafür mit bösen Blicken bestraft, damit sie endlich still ist. Als sie in der einen Nacht etwas ganz Verrücktes erlebt, indem ihr Radiowecker zu ihr spricht und sie eine Einladung bekommt, versteht sie gar nichts mehr.

»Die großen Geheimnisse sind immer offensichtlicht.« [Seite 53]

Im Laufe des Buches kommen immer mehr versteckte Symbole und Metaphern vor, die ich nicht wirklich sofort deuten konnte, da Isabel Abedi das auch zu verhindern wusste. Für mich war das so als ob sie versucht hat mir immer Brotkrümel zuzuwerfen und der Regen sie einfach auflöste, bevor ich entziffern konnte, was genau die Vaterbilder für Wanja waren. Alles was Wanja erlebte, war für mich nicht wirklich nachvollziehbar. Es war schwierig diese aufgeweichten Brotkrümel zu verstehen.

»Der Moment, in dem sich unsere tiefsten Wünsche erfüllen, erzeugt Angst.« [Seite 66]

Im Nachhinein wird mir immer wieder klar, dass wir Menschen alle Bilder in unseren Köpfen malen und Isabel Abedi dies in “Imago” nur noch einmal deutlicher gemacht hat. Wir wünschen uns so viele Dinge, malen die buntesten Bilder und auch dort kommen dunkle Wolken auf, ob wir wollen oder nicht. Um genau diese Bilder in unsere Realität zu katapultieren, müssen wir den Auslöser für die dunklen Wolken finden und diesen bekämpfen. Darum finde ich die Geschichte so wunderbar.

Imago von Isabel Abedi war für mich keine leichte Lektüre, dadurch dass diese Brotkrümel da waren, aber im Endeffekt doch irgendwie nicht. Diese Fetzen einzufangen, im Kopf zu behalten und mir eine eigene Lösung zu entwickeln, war so unglaublich schwer. Mir hat aber dieses Gefühl von Unbefangenheit Spaß gemacht, denn das Buch beschäftigt sich allein mit den Träumen und Ängsten der Menschen. Auch, wenn ich oft gedacht habe, dass sich eine kleine Liebesgeschichte zwischen Wanja und ihrem besten Freund entwickelt, ist es doch ausgeblieben. Dieses Gefühl ist so unglaublich schön, dass es nicht immer nur um diese typischen Themen gehen muss, sondern die kleinen Dinge uns Menschen doch viel mehr interessieren und ansprechen.

»Und wenn sich unser Innerstes für eine Welt öffnet […], dann öffnet sich diese Welt auch für unser Innerstes und wird unsere Wirklichkiet – solange wir es brauchen.« [Seite 303]

Für die versteckte Botschaft und der wunderbaren Zeit mit diesem Buch möchte ich der Geschichte von “Imago” 4,5 Herzen geben. Es ist schön zu wissen, dass ich ein Stück meines Ichs in einem Buch wiedergefunden habe.