Rezension

Vorabendserie in Buchformat

Schmetterling im Sturm - Walter Lucius

Schmetterling im Sturm
von Walter Lucius

Bewertet mit 2 Sternen

Die Leseprobe war vielversprechend. Ging es doch um Farah Hafiz, welche die Kampfsportart Pencak Silat betreibt und bei einem Wettkampf ihre Gegnerin verletzt. Als sie diese Frau im Krankenhaus besucht, kommt sie mitten in einen Notfall. Ein kleiner Junge in Mädchenkleidern wird nach einem schweren Unfall eingeliefert, und sie erkennt sofort, worum es geht. Stammt sie doch selbst aus Afghanistan und erkennt die traditionelle Kleidung eines Rituals, bei dem kleine Jungs von Männern missbraucht werden. Als Journalistin und vor 30 Jahren vorm Krieg aus ihrer Heimat geflohen ist es ihr ein Bedürfnis herauszufinden, wer die Hinterleute bei diesem Verbrechen sind. Doch je mehr sie darüber hinausfindet, desto größer werden die Kreise, welche sich bis in die Kriminalpolizei, die Wirtschaft und die Politik ziehen.

Weitere Erzählstränge befassen sich mit den ermittelnden Polizisten, mit weiteren Journalisten, mit Geschehnissen am anderen Ende der Welt (Südafrika) und nicht zu vergessen den obligatorischen Bösewichten aus Russland. Das hätte auch alles spannend und interessant sein können, zumal mit dem Thema Kindesmissbrauch extrem gutes und wichtiges Ausgangsmaterial geschaffen wurde. Doch irgendwann - so hatte ich den Eindruck -, muss sich der Autor überlegt haben: Ach, das ist doch alles langweilig, wen interessiert das schon? Das muss aufgepeppt werden: mit tragischen Vergangenheiten, mit Flüchtlingen aus Afghanistan, mit korrupten Bullen, Verbrechern, die plötzlich ein Gewissen entwickeln, mit Seelenwanderung und außerkörperlichen Erfahrungen, mit Traumata nach Kriegshandlungen und und und. Dazu wird tief in die Kitschkiste gegriffen: der mürrische, hässliche, korrupte Bulle, der gutaussehende, feinsinnige, gerechte Bulle, die gehässige, blonde, botoxgespritzte Reporterin, die naive Ärztin, die orientalische Superfrau, in die alle Männer verliebt sind, weil sie nicht nur unglaublich schön, sondern auch unglaublich taff und clever ist.

Dazu wurden noch feuchte Männerträume ausgelebt. Die Frauen waren immer geil und willig, die Männer, die bei diesen Frauen zum Zug kamen, immer großartige und sensible Liebhaber.
Die Reaktionen der meisten Protagonisten waren bestenfalls ... überraschend. Die Polizei kommt nicht auf die Idee, rechts und links eines Waldes, durch den eine Straße führt, und auf welcher ein etwa siebenjähriger Junge angefahren wird, mal nachzusehen, ob sich was findet, was auf die Anwesenheit des Jungen deutet. Was dachten sie denn, wo der herkommt? Aus einer Seifenblase geplatzt? Vom Flugzeug abgesprungen? Nein, stattdessen wird Farah bewundert, weil sie auf diesen naheliegenden Gedanken kommt. Und Farah ... na ja. Die ganze Zeit wird über sie ausgesagt, wie toll sie ist, wie schön, wie gut, wie sanft. Die ist so gut, dass sie bei der erstbesten Gelegenheit ihren superverständnisvollen Freund betrügt und dann mit großen Kinderaugen dasteht und fragt: Aber was hast du denn? Ich hab's dir doch gebeichtet und ich habe dich gaaaaaaaaaanz doll lieb! Zu dem ganzen Mischmasch fügen wir noch ein bisschen Peng und Bumm und Explosionen aka Alarm für Cobra 11 hinzu, dann ist die literarische Mahlzeit angerichtet.

Fazit: Leider entpuppte sich diese kriminalistische Mahlzeit als Fastfood in einer vor Klischee triefenden Tüte, auf der kleingedruckt "Mängelexemplar" stehen müsste.