Rezension

Was Arno Geiger in seiner Entwicklung zum Schriftsteller geprägt hat

Das glückliche Geheimnis -

Das glückliche Geheimnis
von Arno Geiger

Bewertet mit 3 Sternen

Autobiografische Selbst- und Lebensbetrachtung, Entwicklung zum Schriftsteller durch weggeworfene alltägliche Aufzeichnungen aus Containern

'Es wäre zu wünschen, dass alle, die das Buch lesen, darin etwas für sie Wichtiges finden.' (226)

Da muss ich den Autor Arno Geiger leider enttäuschen. Es ist für mich eines der Bücher, bei dem ich froh bin, es zuklappen zu können. Ich will aber durchaus einräumen, dass jemand anders für sich darin vielleicht fündig wird.

Es handelt sich keineswegs um einen Roman, sondern um Lebensbetrachtungen, um eine Aufarbeitung seines bisherigen Weges hin zum preisgekrönten Schriftsteller, an dem gefundener Papierabfall einen großen Anteil hat, sein 'glückliches Geheimnis', wie der Titel des Buches lautet.

Einen Eindruck des Glücklichseins hatte ich allerdings beim Lesen nicht, sondern eher das Gegenteil. Es ist viel von Irrungen und Wirrungen die Rede, vom Pendeln zwischen verschiedenen Frauen, von unbestimmten Zukunftsängsten, von Krankheit und Tod der Eltern und anderer.

Hauptthema blieben aber seine Touren durch die Papiercontainer Wiens, die sein Leben und Schreiben maßgeblich beeinflusst haben. Zuerst zu Fuß, später mit dem Rad macht er sich auf, um Papierabfall zu durchsuchen.

Anfangs schämt er sich - 'sich Teilzeit in die Gosse werfen' - aber er findet nicht nur Bücher, sondern auch Dinge, die er auf dem Flohmarkt verkaufen kann und die anfangs wesentlich zu seinem Lebensunterhalt beitragen. Nach einer orientierungslosen Zeit ändert sich der Charakter seiner Suche und er findet Tagebuchaufzeichnungen und Briefe, alltäglich und banal zwar, aber durch und durch menschlich, was ihn stark in seinem Schreiben beeinflusst und ihn als Mensch und Schriftsteller prägt – wie er selber schreibt.

'Meine künstlerische Entwicklung wurde nicht nur von Weltliteratur vorangetrieben, sondern ganz wesentlich auch von Abfall, von Hingeschmiertem und Verworfenem.' Das ist für ihn spontan und nicht so konstruiert wie mancher klassische Roman.

Es gibt zunehmend geradezu philosophisch oder essayistisch anmutende Überlegungen zu den verschiedensten Themen, was mir ein bisschen zu viel war. Mich haben vor allem die Gedanken zum Wegwerfen und Aussortieren interessiert, welchen Wert und welche Bedeutung 'Müll' hat.

Wie schon geschrieben: manch einer mag darin etwas für sich selber finden oder mehr über Arno Geiger erfahren, denn das ist meiner Ansicht nach sein Hauptthema: er selbst, wie er zum Schriftsteller wurde, eine ziemlich intensive Nabelschau und Selbstbetrachtung, durchaus legitim, aber leider nicht mein Fall.

P.S. Man müsste Arno Geiger mal mitteilen, dass heutzutage nicht mehr viele Bücher weggeworfen werden, weil es öffentlich Bücherschränke und Tauschbörsen gibt, die nach meinem Eindruck rege genutzt werden.