Rezension

Werdegang eines Schriftstellers

Das glückliche Geheimnis -

Das glückliche Geheimnis
von Arno Geiger

Bewertet mit 4 Sternen

Bei dem Buch handelt es sich nicht um einen Roman im herkömmlichen Sinne. Der Autor selbst nennt es Erzählung, ich nenne es eine autobiographische Erzählung.
Der Protagonist erzählt von seinen Anfängen als junger Schriftsteller in Wien, vom Entstehen der ersten Romane, von den Verlagen noch wenig beachtet, von Stipendienaufenthalten in Berlin und Pommern, von seinen Liebesbeziehungen, von ersten Erfolgen, von Preisverleihungen, vom Gefragtsein als preisgekrönter Schriftsteller und von seinem Elternhaus in Vorarlberg. Der Hauptangelpunkt in dieser ein Vierteljahrhundert währenden Zeitspanne ist jedoch sein "Doppelleben" als Sammler von papierenem Abfall in den Abfallcontainern der Stadt Wien.
Insofern lüftet er in dieser Erzählung ein lange gehütetes, aber glückliches, Geheimnis und gibt viel von sich und seinem Leben preis. Man erhält tiefe Einblicke in seine Paarbeziehungen, seine Familie und in den Schriftstellerberuf. Letzterer in seinem Fall eine Berufung, die sich auch aus den Funden seiner regelmäßigen morgendlichen Papierabfallwanderungen speist und ihn inspiriert. So habe ich es jedenfalls empfunden.
Als Leser stellt man sich den Beruf des Schriftstellers ja gerne romantisch verklärt und irgendwie wundervoll vor. Hier erfährt man mal, wie es ist, Berufsschriftsteller zu sein, Dinge, über die man sich als "nur"-Leser keine, und wenn doch, dann die falschen Gedanken macht. Hin und wieder habe ich diese Selbstreflexion über das Schriftstellerdasein als zu viel empfunden. Langeweile kam beim Lesen dennoch nicht auf. Das liegt m. E. an der Erzählkunst des Autors, seine Sätze finde ich grandios.
Was macht letztlich gute Literatur aus ? Ganz sicher auch, "dass alle, die das Buch lesen, darin etwas für sie Wichtiges finden" oder "das Leben sichtbar und dadurch verständlicher zu machen". Ja genau, so ist es ! Auf Seite 173 wird eine Bekannte beschrieben, die nie Verantwortung für ihre Eltern übernehmen musste. Auch ich habe lange die Bekannten beneidet, deren Eltern "mühelos", also ohne "zur Last" zu fallen, gealtert und gestorben sind. Bei den Eltern meines Mannes und bei meinen war das nicht so. Nach der Lektüre dieser Erzählung sehe ich das "neidlos": dieses Begleiten des Alterns der Eltern kann auch gewinnbringend sein und schärft den Ausblick auf das, was einen selbst erwarten mag...
Fazit : Ich habe etwas für mich Wichtiges hier gefunden. Darüberhinaus ein großes Lesevergnügen, das ich sehr empfehlen kann.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 11. Januar 2023 um 16:51

Ach wie schön, wenn ein Büchlein dann auch noch Versöhnung mit best. Lebenssituationen schafft, dann hat es viel getan!