Rezension

Was hält Freundschaft aus

Ein Leben lang -

Ein Leben lang
von Christoph Poschenrieder

Bewertet mit 4 Sternen

Seit ihrer Schulzeit waren sie Freunde: Emilia, Sabine, Benjamin, Till und Sebastian und er. Unbeschwerte Jugend, abhängen im Sommer in der Hütte am See. Nach dem Schulabschluss zerstreuten sie sich. Der Kontakt blieb lose aufrecht. Doch dann wurde er unter Mordverdacht verhaftet Der reiche Erbonkel lag erschlagen in der Wohnung. Beweise gab es keine, Indizien zahlreiche. Wer wurde verurteilt. Einige Jahre nach dem Urteil will eine Journalistin den Fall neu aufrollen und wendet sich an den Freundeskreis, bitte um Interviews.

Ein Leben lang, so heißt der Roman von Christoph Poschenrieder. Es geht um einen Mordfall, ein Gerichtsverfahren, ein zweifelhaftes Urteil. Aber vor allem geht es um Freundschaft. In bester „oral history“ Methode erzählen Emilia, Sabine, Benjamin, Till und Sebastian von ihrem Freund, dem Verurteiltem, dem vermeintlichen Mörder. Er - der Freund - wird nie beim Namen genannt, bekommt nur selten eine eigene Stimme.

Die Leserschaft erfährt die Geschichte multisperspektivisch und sehr subjektiv. Jeder aus dem Freundeskreis baut aus der eigenen Erinnerung einen Teil der Wahrheit nach. Dabei sind die Frauen – Emilia und Sabine – klar unterscheidbar, die Männer verschwimmen immer wieder. Am ehesten sticht für mich hier Benjamin heraus, der als Jurist wiedererkennbarer ist als Till uns Sebastian.

In den Tagen unmittelbar nach dem Mord noch fassungslos, während des Prozesses immer noch unterstützend, regt sich bei den Freunden mit der Zeit immer stärker die Frage: Kann einer von uns tatsächlich ein Mörder sein?

„Jeder ist alles, und aus jedem kann alles werden.“

Ganz nebenbei stellt sich für die Leserin auch die Frage – schuldig oder nicht schuldig?

Es ist kein Krimi, kein Justizdrama. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass wir die Geschichte nur aus Sicht der Freunde, gelegentlichen Informationen durch den Verteidiger und die Reflexionen des Verurteilten kennen, sollten wir gelegentlich die Zuverlässigkeit der Berichtenden in Frage stellen.

Christoph Poschenrieder hat hier einen wahren Fall aufgerollt. Das kann man wissen, muss man aber nicht, es bringt aber zum Schluss noch ein gewisses Aha-Erlebnis.