Rezension

"Winterglück" von Debbie Macomber

Winterglück - Debbie Macomber

Winterglück
von Debbie Macomber

Bewertet mit 4 Sternen

Wer Nora Roberts mag, wird Debbie Macomber lieben!
Nach einem schweren Schicksalsschlag beschließt Jo Marie Rose, noch einmal neu zu beginnen um endlich ihren Frieden zu finden. Sie zieht in das beschauliche Küstenörtchen Cedar Cove und eröffnet ein gemütliches kleines Bed&Breakfast – das Rose Harbor Inn. Bald schon kann sie ihre ersten Gäste begrüßen, die beide aus Cedar Cove stammen – Abby Kincaid und Joshua Weaver. Dass beide nicht ganz freiwillig in ihre Heimatstadt zurückkehrten, merkt Jo Marie sehr schnell. Ein turbulentes Wochenende steht ihnen bevor, doch am Ende schöpfen alle drei neue Hoffnung für die Zukunft … [ Quelle: Blanvalet ]

Wenn das Schicksal erbarmungslos zuschlägt...

Jo Marie ist jung und doch hat sie schon einiges in ihrem Leben mitmachen müssen. Lange Zeit hat sie gar nicht daran geglaubt, jemals einen Mann zu finden, mit dem sie sich vorstellen könnte, alt zu werden. Allerdings gehört Jo Marie nicht zu den Menschen, die für ihr Lebensglück unbedingt einen Partner bräuchten. Doch dann lernt sie ihren Seelenverwandten kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick und schnell wird geheiratet. Aber nach nicht einmal drei Monaten ist Jo Marie wieder alleine - als Witwe, nachdem Paul im Irak gefallen ist

Für Jo Marie bricht eine Welt zusammen und selbst ihre Familie oder ihre Freunde können sie nicht aus dem Loch holen, in das sie daraufhin fällt. Als sich für sie die Möglichkeit auftut, zögert sie nicht lange und ergreift diese: sie kauft eine kleines Bed and Breakfast in dem beschaulichen Küstenörtchen Cedar Cove. In dem Städtchen kennt man sich untereinander und schnell fühlt sich die Frau wohl in ihrer neuen Umgebung. Jo Maries erste Gäste lassen ebenfalls nicht lange auf sich warten und beide scheinen wohl noch an ihrer Vergangenheit zu knabbern haben, mit der sie während ihres Besuches in Cedar Cove konfrontiert werden.

Cedar Cove = Rosarote Kuschelwelt

Den Einstieg ins Buch empfand ich ganz kurzzeitig als etwas verwirrend. Doch obwohl es vielleicht mal kurz ein paar Seiten dauert, bis man ein Gespür für die Geschichte bekommt, stellt sich dann nach den kleinen Schwierigkeiten doch ein Verständnis für die Idee ein. Eigentlich mag ich diesen Aufbau, den Debbie Macomber hier gewählt hat, so gar nicht. Denn zunächst einmal stellt sie ihre Protagonistin und deren Lebensgeschichte vor. Sowas kann ich eigentlich gar nicht leiden. Mir ist es immer lieber, wenn die Vorstellung nicht so seperat an den Anfang gestellt wird, sondern man als Leser die Gelegenheit bekommt, die Personen im Laufe des Buches kennenzulernen. Hier wäre es mir anders auch lieber gewesen, doch Debbie Macomber hat die ganze Sache ganz gut dargestellt.

Sehr viel besser gefallen hat mir daher auch die Einführung von Jo Maries Gästen. Abby und Joshua kehren unabhängig voneinander am gleichen Wochenende nach Cedar Cove zurück, wo sie beide aufgewachsen sind. Beide müssen sich mit ihrer Vergangenheit beschäftigen, was beide jahrelang zu verhindern versucht haben. Abbys beste Freundin starb zu Highschool-Zeiten bei einem Autounfall, bei dem Abby am Steuer saß. Seither quält sie sich selbst und macht sich die schlimmsten Selbstvorwürfe. Joshua dagegen ist aus seinem Heimatort geflüchtet, nachdem seine Mutter und sein Stiefbruder starben und er mit dem herrschsüchtigen Stiefvater zurückblieb. Nun liegt eben dieser Stiefvater im Sterben und Joshua ist vor allem deshalb zurückgekommen, um sich endlich die Andenken an seine Mutter zu holen, von denen er meint, dass sie ihm zustehen.

Das tolle Setting versprüht eine Menge Atmosphäre

Die ganze Geschichte in Cedar Cove spielen zu lassen, war eine brilliante Idee der Autorin. Das kleine Küstenstädtchen in der Nähe von Seattle hat seinen ganz eigenen Charme. Der Titel Winterglück wurde nicht umsonst gewählt, denn als Leser lernt man die Stadt in genau dieser Jahreszeit kennen. Es stürmt und ist windisch. Es regnet und somit kommt vor allem auch die Atmosphäre des Rosa Harbor Inn besonders gut zur Geltung. Ich konnte das Feuer schon fast im Kamin prasseln hören oder auch den Geruch von frischem Tee riechen...

Der Schreibstil von Debbie Macomber hat mir wirklich gut gefallen. Sie wechselt immer wieder die Perspektive auf die Charaktere. Die Protagonistin Jo Marie erzählt ihren Teil der Story immer aus der Ich-Sicht, während die von Abby und Joshua vom auktorialen Erzähler berichtet werden. Das war echt gelungen, da Jo Marie, obwohl sie unstreitig der Hauptcharakter sein soll, nicht den Raum einnimmt, den man vielleicht anfangs erwartet hätte. Durch den Wechsel in der Erzählperspektive hatte ich aber trotzdem das Gefühl, ihr besonders nahe zu sein.

Sprechende Tote und ein ganz untypisches Dorf

Zwei kleine Kritikpunkte sind mir allerdings doch aufgefallen. Und leider war das für mich doch Punkte, über die nicht einfach hinweg lesen konnte. Zum einen wird einem auf bald jeder Seite das Gefühl vermittelt, dass man sich in einer beschaulichen Kleinstadt befindet, in der jeder jeden kennt und man sich auch gerne mal gegenseitig unter die Arme greift. Nun kommen also Abby und Joshua zurück in diesen Ort, in dem sie beiden aufgewachsen sind. Und beide scheinen mir vom Alter her irgendwo zwischen 30 und Mitte 30 zu sein. Und doch scheint es so, dass der eine den anderen eben nicht kennt. Abby erzählt immer wieder, dass die ganze Stadt über sie gesprochen hat, als der tragische Unfall passiert ist. Aber Joshua kennt noch nicht einmal ihre Familie? Na was denn jetzt? Da kam es wohl zu einem kleinen Logik-Fehler.

Über diesen kleinen Fehler kann ich noch hinweg sehen. Doch wirklich geärgert hat mich der zweite Kritikpunkt. Denn scheinbar haben die Menschen in Cedar Cove die wunderbare Fähigkeit, sich Tote herbeizuträumen, die ihnen dann einreden, wohin ihr Weg zu führen hat. Angefangen hat das bei Jo Marie, wo ich noch gemutmaßt habe, dass sie vielleicht mit dem seelischen Streß aufgrund des Verlustes nicht ganz umgehen kann. Nachdem dann aber auch ihr Handwerker, der mir doch einen sehr rationalen Eindruck macht, plötzlich von Eingebungen und drängenden Gefühlen spricht, war es mir echt zuviel. Warum dieser Ausflug ins Übernatürliche? Es wäre so schön gewesen ohne ihn...

Ernste Themen locker leicht verpackt

Winterglück überzeugt aber vor allem durch seine Vielzahl an behandelten Themen. Großes Thema ist vor allem die Trauerbewältigung, nicht nur bei Joe Marie, sondern auch bei Abby und später bei Joshua. Doch auch Freundschaft, Liebe, Familie, seelischer Missbrauch finden ihren Platz. Dabei schafft die Autorin es wie keine zweite, diese wirklich ernsten Themen in eine wunderschöne Geschichte zu packen. Klar macht das die Geschichte an manchen Stellen wirklich furchtbar traurig, aber genauso sehr geht sie einem eben auch ans Herz

Als Leser macht man durch den Wechsel zwischen den Charakteren einfach auch ständig ein Wechselbad der Gefühle durch. Nur selten kommen die drei wichtigsten Personen zusammen, eigentlich begleitet man sie die meiste Zeit seperat. Dadurch rutscht man ein zwischen den Handlungssträngen hin und her. Und dadurch muss man sich zwar immer wieder neu ausrichten, doch dieses Hoch und Tief der Gefühle macht auch irgendwie den Charme des Buches aus.

Zusammenfassend lässt sich sagen...

Kleine Schwächen des Buches lassen sich leider nicht von der Hand weisen. Doch für jede Schwäche, die ich gefunden habe, habe ich auch mindestens drei Argumente für das Buch gefunden. Am meisten beeindruckt hat mich vor allem, dass das Buch drei Charaktere aufweist, die fast keine Berührungspunkte haben, damit ziehen sich drei Handlungsstränge durch die Geschichte. Und trotzdem gehört es irgendwie alles zusammen. Nachdem ich den Klappentext zum zweiten Teil der Reihe bereits gelesen habe, beherbergt Jo Marie auch in diesem Buch wieder zwei Gäste. Zwar hat mir Winterglück wirklich gut gefallen, doch ich hoffe jetzt nicht, dass auch die drei Nachfolgebände nach dem gleichen Schema ablaufen. Aber das werden wir zu gegebener Zeit sehen...