Rezension

Wird vielen Lesern zu Herzen gehen

Die Hummerschwestern - Beverly Jensen

Die Hummerschwestern
von Beverly Jensen

Im kanadischen New Brunswick, an einer sich dem Atlantischen Ozean entgegenstreckenden Bucht, wachsen die beiden Schwestern Idella und Avis Hillock zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf einer Farm auf. Die Mutter stirbt an den Komplikationen nach der Geburt der dritten Tochter, die nach ihr Emma genannt wird. Emma wird daraufhin an eine Pflegefamilie weitergegeben, denn der Vater der Schwestern hat bereits genug Probleme sich um Idella und Avis, sowie deren Bruder Dalton zu kümmern. Seinen Kummer um seine verstorbene Frau und die Strapazen des kargen und beschwerlichen Lebens ertränkt Bill Hillock zu oft im Alkohol. Für kleine Mädchen ist die Farm kein Ort zum Aufwachsen.

Dennoch machen beide Mädchen, die Protagonistinnen in diesem Roman, ihren Weg. Idella ist die Vernünftigere der beiden, was sich in ihrem Leben auszahlen wird. Avis, ein Männerschwarm, wird dagegen den ein oder anderen Fehler bedauern müssen. In mehreren Episoden erfährt der Leser die Lebensgeschichte von Idella und Avis, wobei der Schwerpunkt vor allem in den wegweisenden jungen Jahren der Schwestern liegt. Die anderen Familienmitglieder werden nur dann begleitet, sofern sie den Weg der beiden kreuzen.

Der episodenhafte Stil des Romans hat einen teilweise traurigen Grund: Die einzelnen Kapitel wurden als Kurzgeschichten konzipiert und erschienen auch zuerst in dieser Form. Die Geschichten basierten auf den Lebensgeschichten der Mutter und Tante der Autorin Beverly Jensen. Erst nach dem verfrühten Tod Jensens, die vor genau zehn Jahren an Krebs starb, wurden die Kurzgeschichten veröffentlicht und erhielten großes Lob durch die Kritik. Der bekannte Autor Stephen King wählte sie für eine Kollektion bedeutender Kurzgeschichten aus. Erst 2010 wurden Jensens Episoden dann zu einem Roman zusammengestellt, der in den USA große Erfolge feiern konnte und nun auch in Deutschland ein Bestseller wurde.

Den Ursprung als Kurzgeschichte kann man beim Lesen des Romans kaum noch erahnen. Obwohl die einzelnen Episoden durchaus einen zeitlichen Abstand von mehreren Jahren haben, greifen die Kapitel gut ineinander. Unnachvollziehbare Sprünge gibt es nicht. Am Anfang des Buches werden allerdings Handlungsstränge bzw. Charaktere eingeführt, die im weiteren Verlauf des Romans dann nicht mehr begleitet werden. Das ist schade, denn der Leser ist am weiteren Verbleiben der am Anfang als wichtig eingeschätzten Charaktere interessiert.

Sollte man dies verschmerzt haben, wird man das Buch aber trotzdem bis zum Ende Seite für Seite lesen, da man auch weiterhin mit den Schwestern mitleiden und hoffen will. Die Geschichte fesselt den Leser und wenn man bedenkt, dass viele Ereignisse der Wahrheit entsprechen, ist man auch darüber erstaunt, wie das Leben so spielt. Man hat nie den Eindruck eine trockene Biographie zu lesen, sondern taucht in einen quicklebendigen Roman ein, der durch einen lebensnahen Rahmen erfreut. Auch die Dialoge wirken stets passend und nicht künstlich.

Vielfach als bewegendes Buch beschrieben, ist "Die Hummerschwestern" wirklich ein Roman, der vielen Lesern zu Herzen gehen wird. Dabei wird vollkommen auf Kitsch verzichtet. In der harten Welt, in der Idella und Avis aufwachsen, geht es darum, mit den spärlichen Mitteln zu leben und doch noch etwas aus der eigenen Existenz zu machen. Träume hat es keine zu geben. "Die Hummerschwestern" ist bei Weitem keine Pflichtlektüre, aber ein gutes Buch mit dem man in diesem Herbst nichts falsch machen kann.