Rezension

Wirtschaftswunderblues

Endstation Heißen - Horst-Dieter Radke

Endstation Heißen
von Horst-Dieter Radke

Bewertet mit 3 Sternen

Mülheim, zu Beginn der 50iger Jahre. Der Krieg ist vorbei, auch wenn er noch in vielen Köpfen steckt. Doch die Menschen sehen nach vorn, können langsam anfangen, sich wieder etwas zu leisten: Essen, Urlaub, vielleicht sogar Autos und Motorräder. Der Fortschritt ist nicht aufzuhalten. Alfred Poggel, Chef der Mordkommission in Mülheim, genießt seinen Urlaub in Italien, doch als er zurückkehrt, ist Schluss mit lustig. Zwei Frauen wurden an der Endhaltestelle Heißen vergewaltigt und ermordet.
Die Ermittlungen laufen schleppend an. Noch gibt es keine DNA-Auswertung, keine Handys, kein Fax, kein Internet, um sich mal eben mit anderen Abteilungen kurzzuschließen. Mehrere Verdächtige entpuppen sich als Fehlschläge, einer von ihnen gerät sogar in Gefahr, von einem aufgebrachten Mob gelyncht zu werden.
Poggel muss jede Hilfe annehmen, die er bekommen kann, und so kommt seine Vermieterin ins Spiel, die in Mülheim scheinbar alles und jeden kennt.

Die große Stärke des Buches ist gleichzeitig seine größte Schwäche. Die Autoren haben gut recherchiert; die 50iger Jahre entstehen problemlos im Kopfkino. Die für uns heute altmodischen Ansichten, die Lebensweise, die Arbeit bei der Polizei. Und doch ist es auch zu viel. Anstatt sich auf den Krimi zu konzentrieren, wird wieder und wieder auf das Leben in den 50igern eingegangen. 2/3 des Buches gehören zum Fall und dem Drumherum, das restliche Drittel ist ein Davor und Danach, das mir so vorkam, als wollten die Autoren beweisen, wie viel sie über das Leben vor 60 Jahren wissen/herausgefunden haben. Ich persönlich fand es zu viel - das alltägliche Leben kam ohnehin ständig vor, da hätte es das nicht gebraucht, zumal meiner Meinung nach der Fall damit ein wenig unterging, ganz besonders zum Schluss. Der Mörder wurde ratzbatz erwischt und dann nicht wieder erwähnt, während sich die letzten dreißig Seiten auf etwas vollkommen anderes konzentrierten.

Fazit: Ein stimmungsvolles Bild der 50iger Jahre mit einem nicht unbedingt sympathischen Protagonisten. Eher interessant für Leute, die sich für Geschichte interessieren als für Krimifans, die sich lieber auf den Fall konzentrieren.