Rezension

Zäh, platt und langweilig

Falsche Nähe - Alexandra Kui

Falsche Nähe
von Alexandra Kui

INHALT

Seit ihre Eltern vor dreizehn Jahren umgekommen sind, lebt Noa mit ihrer zehn Jahre älteren Schwester Audrey zusammen: einer erfolgreichen Thriller-Autorin. Bisher sind sie, obwohl sie beide stur und dickköpfig sind, gut mit einander ausgekommen. Das ändert sich schlagartig, als Audrey im gemeinsamen Mallorca-Urlaub auf den Geschäftsmann Arne trifft. Die beiden verlieben sich Hals über Kopf, obwohl er Noas Vater sein könnte, und ziehen schon bald zusammen. Gleichzeitig beginnt Audrey ein neues Buchprojekt, das von ihrem Verleger jedoch sofort abgelehnt wird. Noa wird neugierig, warum ihrer Schwester die Idee so wichtig ist - und stößt auf ein Geheimnis aus ihrer Vergangenheit, das sie beide das Leben kosten könnte...

MEINE MEINUNG

Allgemein

Falsche Nähe ist mein erster Thriller von Alexandra Kui und ich war neugierig auf die Geschichte. Wenn Bücher und Autoren in Geschichten eine Rolle spielen und das auch noch in Verbindung mit dem Genre Thriller, kann ich nicht Nein sagen.

Figuren

Protagonistin ist die siebzehnjährige Noa, die, ehrlich gesagt, von Seite zu Seite unausstehlicher wird. Sie ist kalt und abweisend, stößt jeden vor den Kopf, den sie liebt und der sie liebt, hält an ihren Vorurteilen fest und gibt niemandem eine Chance, wenn sie sich erst einmal eine Meinung gefestigt hat - was bei ihr auf den ersten, spätestens auf den zweiten blick passiert. Sie ist - obwohl fast volljährig - ein unreifer Teenager, nicht fähig, sich auszusprechen und in Auseinandersetzung schnell laut und beleidigend. Sie ist trotzig, nachtragend und unreif, sie rennt weg und schmollt, wenn es ihr passt, übernimmt keine Verantwortung und kümmert sich nicht um die Sorgen anderer. Eigentlich Eigenschaften, die für schwierige Teenager typisch sind und Nebenfiguren mögen damit ja durchaus interessant wirken (obwohl immer depressive, immer schlecht gelaunte oder aggressive Figuren auf mich nicht so reizvoll sind), als Protagonistin ist sie aber sehr schwierig. Ich hatte meine Probleme, einen Draht zu ihr zu bekommen und sie wurde mir gegen Ende hin immer unsympathischer.
Moritz ist dagegen ein netter, fröhlicher, aufgeweckter Junge. Ein bisschen verrückt und etwas einseitig beschrieben, aber eine Frohnatur mit rotem Lockenkopf und breitem Grinsen, die man sich gut vorstellen kann. Er kümmert sich um Noa und ist um ihre Sicherheit besorgt. Sie weiß gar nicht zu schätzen, was sie an ihm hat. Und obwohl er teilweise zu kriminellen Handlungen neigt und unglaublich frech ist, mag man ihn - vielleicht mag man ihn auch gerade deswegen. 
Die ältere Schwester Audrey, die mittlerweile 27 ist und die kleine Familie ernährt, verhält sich etwas erwachsener als Noa, aber nicht viel. Sie ist schnell eingeschnappt, eine unglaubliche Geheimniskrämerin und sehr engstirnig, wenn es um Arne geht. Plötzlich sind da nur noch sie und er und ihre Hormone. Ein wenig kann ich Noa ja verstehen, mir würde die Situation auch nicht passen. Ein wenig kann ich aber auch Audrey verstehen, die nicht allein sein und ein wenig Verantwortung abgeben will. Dennoch denke ich, dass sie sich in ihrem Alter und in ihrer Lage etwas reifer verhalten könnte und sollte. Ihre trotzige Einstellung ist es, die die ganze Geschichte ins Rollen bringt. 

Plot

Die ersten 100 Seiten sind sehr zäh und langatmig, es will einfach keine Spannung aufkommen. Das kann natürlich auch daran liegen, dass einfach nichts passiert. Der Streit zwischen einer Autorin und einem Lektor sowie die Auseinandersetzungen zwischen einem Teenager und des neuen Lebenspartners der Vormundin (die zudem sehr gesittet und aktionslos ablaufen) sind nicht gerade der Stoff, aus dem Thriller gemacht sind. Und mehr passiert im ersten Drittel des Buches auch nicht. Zwar findet Noa das geheime Skript ihrer Schwester und erfährt kurz darauf von dem Mord, der dem fiktiven sehr ähnlich ist - das alles spielt sich aber eher im Hintergrund ab. Das Gefühl der Langatmigkeit kann auch dadurch entstehen, dass die Geschichte zeitlich nicht gerade dicht ist. Immer wieder werden Zeitsprünge erwähnt oder mehrere Tage in zwei Sätzen zusammengerafft. Es vergeht viel Zeit ohne weitere Morde, viel Zeit ohne Gefahr. Nicht nur Lesezeit, auch Handlungszeit. Zudem sind viele Abschnitte mit  in meinen Augen überflüssigen Informationen bestückt, die  nicht in den Kontext passen und etwas zu sehr nach Füllern aussehen (wie man welche Pflanzen zu gießen hat, beispielsweise). Das nimmt zusätzlich einiges an Geschwindigkeit raus. Und als es gerade anfängt spannend zu werden, als ich denke "Jetzt kommen endlich Emotionen, Nervenkitzel und vielleicht auch Blut" gibt es einen Zeitsprung und nach zwei weiteren Seiten voller kitschiger Klischees ist die Geschichte zu Ende.

Sprache

Die Sprache ist sehr elliptisch und abgehackt und trotzdem - oder gerade deswegen - will keine richtige Lesedynamik aufkommen. Es liest sich wie ein lückenhaftes Tagebuch gemischt mit verschiedenen Textschnipseln des geheimnisvollen Killers - der geheimnisvoll leider nicht ist. Auch Auszüge aus Audreys Roman werden gezeigt - ganz ehrlich? Ich würde Ihre Thriller nicht lesen, die Auszüge waren sprachlich nicht besonders überzeugend und inhaltlich langweilig. Wenn man eine Figur hat, die für knallharte Thriller bekannt geworden ist, dann sollten die Romanauszüge meiner Meinung nach auch dementsprechend geschrieben sein - oder man lässt sie weg. Einzige Ausnahme: Audrey ist bei Weitem nicht so gut, wie sie selbst denkt, und die Romanauszüge sollen dem Leser zeigen, wie sehr sie sich selbst überschätzt.

Die einzelnen Absätze beginnen wie Tagebuchberichte, sehr locker und teilweise umgangssprachlich, manchmal wirkt es wie aus dem Zusammenhang gerissen. In Zwischenkapiteln sind Briefe oder ähnliche an eine andere Person gerichtete Schriftstücke des Täters eingeschoben, die kryptisch sein sollen. Mir sind sie etwas zu direkt, sie könnten verworrener sein. Es wird eigentlich ziemlich klar, was er damit mit. 
Kleine Fehler haben sich auch eingeschlichen, 100€-Scheine sind beispielsweise grün, nicht gelb (das sind die 200€-Noten). Meistens stören mich solche Kleinigkeiten nicht, aber wenn es sich häuft, fällt es mir auf. 

Normalerweise sorgt elliptischen Schreiben für viel Spannung, hier wirkt es zwar übereilt und sprunghaft, aber irgendwie nicht dynamisch und auch nicht fesselnd. Zudem wirkt er teilweise sehr umgangssprachlich, was okay ist, wenn ein Ich-Erzähler berichtet. Dann unterstreicht die Sprache den Charakter. Hier ist es aber ein ganz normaler personaler Erzähler, bei dem ich Begriff wie "Fatzke" eher als störend empfinde. 

Alles in allem ist es ein eher erzählender "telling" als zeigender "showing" Schreibstil. Es wird viel nacherzählt und zusammengefasst, nachdem es bereits passiert ist oder gesagt wurde und der Leser ist nicht mehr live dabei. Das schafft Distanz und nimmt Tempo und Spannung. 
Ich konnte mich leider nicht mit dem Schreibstil anfreunden.

Fazit

Puh, ganz ehrlich? Mir fällt es nicht leicht, Bücher negativ zu bewerten, irgendwie ist es mir immer schade drum und es tut mir auch leid. Aber es ist nun einmal meine ehrliche, begründete Meinung und dieser Geschichte konnte ich einfach nichts Positives abgewinnen, obwohl ich mich wirklich bemüht habe. Daher mein Fazit: zäh, platt und langweilig geschrieben.

1,5 von 5 Punkten

Idee 1/2 Punkt, Plot 0 Punkte, Figuren 0 Punkt, Sprache 0 Punkte, Cover 1 Punkt

~*~ cbt ~*~ 285 Seiten ~*~ ISBN: 978-3-570-16256-9 ~*~ Broschiert ~*~ 9,99€ ~*~ 28. Mai 2013 ~*~