Rezension

Über das Artensterben.

Das Wesen des Lebens -

Das Wesen des Lebens
von Iida Turpeinen

Bewertet mit 5 Sternen

Kurzmeinung: Schockt. Höchste Zeit umzudenken.

Die Autorin stellt die Lebensläufe dreier berühmter Männer in den Vordergrund, einmal ist da der Naturforscher Georg Wilhelm Steller aus dem 18. Jahrhundert, dann der Politiker Johann Hampus Furuhjelm aus dem 19. Jahrhundert und den Ornithologen John Grönvall aus dem 20. Jahrhundert. Sie alle sind lose über die Stellersche Seekuh verbunden.
Der Roman zeigt auf, wie gnadenlos Menschen seit jeher mit der Natur umgehen. Gnadenlos und völlig ohne jede Empathie. Dabei stehen die Säugetiere nicht so viel tiefer als der Mensch, der sich gerne die Krone der Schöpfung nennt.
Ein kleines Beispiel auf S. 113: „Die Schiffe transportierten (von Alaska aus) die Felle in alle Welt, 51 315 Seeotterfelle, 831 396 Robbenfelle, 319 514 Biberfelle, 291 655 Fuchsfelle.“ Unmenschliche Grausamkeit gegenüber den Tieren hat genau so eine lange Tradition wie Umweltverschmutzung, denn auf einer Seereise wirft man seine Kleidung einfach über Bord, weil es günstiger ist, sie zu entsorgen und neu zu kaufen als sie zu waschen, äh, waschen zu lassen. Die Herrschaften würden sich doch nie selber die Finger schmutzig machen. Der Roman zeigt ebenfalls die Mechanismen von Rassismus und Misogynie auf; Frauen wurden in vielen Berufen nicht ernstgenommen.

Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Iida Turpeinen zeigt sich als profunde Kennerin der Naturkunde und der Paläontologie. Mit vielen Details und menschlicher Anteilnahme an dem Leben der Forscher und der Frauen, die sie auf ihrer jeweiligen Lebensreise begleiteten, förderten und unterstützten, zeigt sie viele Facetten der Naturkunde. Der Roman bewegt sich sprachlich auf hohem Niveau.

Fazit: Die Tatsache, dass das Aussterben der Arten menschenverursacht ist, wurde lange geleugnet. Dass der Mensch bis heute keine Ehrfurcht vor dem Leben hat und alles seinem persönlichen Profitdenken unterordnet, dreht einem den Magen um. Deshalb sind solche Romane, wie sie Turpeinen schreibt, so unendlich wichtig. Wie hätte die Welt ausgesehen oder wie würde sie aussehen, wenn die Menschheit den Bewahrungsauftrag für die Schöpfung ernst nehmen würde! Solange dies nicht so ist, geht das Aussterben der Tier- und Pflanzenwelt weiter bis nur noch eine eintönige Welt übrig bleibt. Oder gar keine.

Kategorie: Roman mit Sachbuchanteil.
S. Fischer Verlag, 2024

Auszeichnung: Helsingin-Sanomat-Literaturpreis, Jahr?
Finlandia Preis - Nominierung

 

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 02. September 2024 um 18:24

"Dass der Mensch bis heute keine Ehrfurcht vor dem Leben hat und alles seinem persönlichen Profitdenken unterordnet..." - So ist  es! Leider! Und diejenigen, die so weitermachen, feiern sich als Pragmatiker und diffamieren die anderen als Ideologen.

Emswashed kommentierte am 02. September 2024 um 19:12

Ich erinnere mich, dass es eins der Bücher war, das ich gern in einer Leserunde gehabt hätte. Wie schaffst Du das immer bloß?