Rezension

Ihr mögt Hoover haben - aber wir haben Nero Wolfe!

Es klingelte an der Tür - Rex Stout

Es klingelte an der Tür
von Rex Stout

Bewertet mit 4 Sternen

Man muss kein linker Ultra sein, um es zu genießen, wie Nero Wolfe J. Edgar Hoover und seine Truppe - das FBI - reinlegt. Rex Stout versteht es in seinem erfolgreichsten Krimi um den fettleibigen Privatdetektiv Nero Wolfe, den Leser in ein Spiel mit dem allmächtig erscheinenden FBI einzuladen und auf die Folter zu spannen: Wie wird es ihm gelingen, das FBI auszutricksen?

Den Auftrag dazu erhält er von der reichen Witwe Rachel Bruner, die sich den Zorn Hoovers zugezogen hat, als sie ein Enthüllungsbuch über die demokratisch fragwürdigen Praktiken nicht nur etwa öffentlich gelobt, sondern 10.000 Exemplare an ebenso viele bedeutende Personen in den USA versendet hat. „Sie haben sich mit dem FBI angelegt, und jetzt stecken Sie mittendrin.“ Dass sie nun den Leibhaftigen am Hals hat, soll Wolfe ändern, und sie ködert ihn mit einer Summe, die er nicht ablehnen kann. Nero nimmt an und schickt seinen Ermittler Archie Goodwin aus, um diversen Spuren nachzugehen. Der Roman trägt das Gewand von Goodwins Bericht, so dass der Leser alles aus erster Hand erfährt.

Im Mittelteil hängt die Geschichte ein wenig, weil man nicht genau versteht, warum Goodwin in einer bestimmten Mordangelegenheit ermitteln soll. Auch erfährt man von einer Falle, die Wolfe dem FBI stellt, erst, als sie zuschnappt, weshalb zugunsten der Überraschung auf erläuternde Details verzichtet wird. Aber zum Schluss versöhnt die Handlung mit der Erzählweise, und der Leser schaut dem Meister Nero Wolfe als Meister seines Faches dabei zu, wie er seinem Auftrag auf pfiffige und selbstbewusste Weise nachgeht.

Die neue Ausgabe bei Klett-Cotta erscheint mit schönem Leineneinband und mit einem hervorragenden Nachwort von Jürgen Kaube, in dem der liberale Grundgedanke erläutert wird, der dem Spiel zwischen Wolfe und FBI zugrunde liegt: Rex Stout schlägt nicht zum ersten Mal den Bürgerrechten eine Bresche, wenn es wieder einmal eine demokratische Institution damit übertreibt, „Sicherheit gegenüber Freiheit vorzuziehen“ (S. 241). Der antikommunistische Kreuzzug des Senators Joseph McCarthy war gerade zehn Jahre vorbei, als „Es klingelte an der Tür“ erschien, während Hoover immer noch - nach 40 Jahren - FBI-Direktor war, weshalb die Kriminalliteratur hier ihrem Auftrag nachkommt, gesellschaftliche Themen in den Kontext ihrer Handlung zu setzen.

Ein Wort zur Neuübersetzung: Sie ist gelungen, auch wenn Wolfes wiederkehrender Kommentar „Zufriedenstellend“ im Deutschen unpassend klingt. Überdies scheint die Übersetzerin Conny Lösch anzunehmen, ein Zentner entspräche 100 Kilogramm, denn sie nennt Wolfe einen „knapp anderthalb Zentner schweren Mann“ (S. 48), wo er doch zutreffender „300 Pfund“ wiegt (S. 176). Ein Zentner entspricht in Deutschland 50 Kilogramm, und ein anderthalb Zentner schwerer Mann wäre nur dick, wenn er 1,20 m Körpergröße hätte.

Alles in allem ein großartiger Auftakt eines oldschooled wirkenden, gerissenen Ermittlers im Auftrag zeitloser gesellschaftlicher Themen. Man kann sich nur auf die Fortsetzung der Reihe freuen!